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© Mike Wolff

Friedrichstraße: Die Quadratur des Spreedreiecks

Der Rohbau ist fast fertig und Mitte September soll Richtfest gefeiert werden. Doch nun droht eine weitere Auseinandersetzung an der Friedrichstraße: In unmittelbarer Nachbarschaft des Admiralspalastes soll ein Neubaukomplex entstehen, der das denkmalgeschützte Gebäude deutlich überragen wird - die Baugenehmigung dafür gab es erstaunlich schnell.

Der Blick ist sein Geld wert. Hinten das Reichstagsgebäude, davor die Spree mit den Ausflugsschiffen, in der Mitte der Bahnhof Friedrichstraße, aus dem die Züge durch die Szenerie rattern und vorne die Fußgänger und Straßenbahnen, die sich ihren Weg über die Weidendammer Brücke bahnen. Dieses Panorama gibt’s inklusive für die Gäste der Präsidenten-Suite im obersten Geschoss des Hotels Melia an der Friedrichstraße.

Diese Sicht hätte das Hotel gerne auch anderen Gästen des Hauses, zum Beispiel auf der Dachterrasse, angeboten. Doch damit ist es nun vorbei. Denn gegenüber schiebt sich das Betonskelett des Spreedreiecks in die Höhe und nur die Sicht aus der Suite bleibt frei. Gerade hieven die Baukräne die letzten Säulen und Wandelemente an ihre Position – noch ein paar Tage und der Rohbau ist fertig. Mitte September soll auf der umstrittenen Baustelle Richtfest gefeiert werden. Im Abgeordnetenhaus wird von der Feierlaune wenig ankommen. Hier soll etwa zeitgleich der Untersuchungsausschuss zum Grundstücksgeschäft die Arbeit aufnehmen. Eigentlich hätte der schon vor der Sommerpause loslegen sollen – Regierung und Opposition stritten über den Fragenkatalog für den Ausschuss.

„Wir sind jetzt auf einem guten Weg“, sagt der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Jochen Esser. Wolfgang Brauer, der für die Linkspartei in den Ausschuss gehen wird, rechnet damit, dass das Parlament am 11. September den Auftrag zur Aufklärung erteilt. „Ich denke, wir werden die Ausschussarbeit im kommenden Jahr abschließen können“, sagt Brauer, „sodass der Abschlussbericht Anfang 2010 vorliegen könnte.“

Die ersten Mieter werden dann schon fast ein Jahr in dem Neubau wohnen. Investor Harm Müller-Spreer rechnet nach anfänglichen Bauverzögerungen nun mit einem zügigen Verlauf und einer Fertigstellung im März 2009. Der wichtigste Mieter, die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young, ist noch an Bord. Und auch für einen weiteren Gebäudeteil sind die Verträge so gut wie ausgehandelt. Der Bund wird sehr wahrscheinlich den denkmalgeschützten „Tränenpalast“ für eine Dauerausstellung zur Geschichte der Berliner Mauer mieten.

Für Müller-Spreer durchaus ein gutes Geschäft. Er hat nach einer Übernahmeschlacht den „Tränenpalast“ einst vom Land Berlin für 915 000 Euro gekauft mit der Auflage, in dem Gebäude über 25 Jahre eine kulturelle Nutzung zu ermöglichen. Das Land dachte da zwar an die Betreiber der Off-Kultur-Weihestätte „Tränenpalast“, doch diese ging in dem Poker um das Gebäude in die Insolvenz. Nun wird der Bund Mieter bei Müller-Spreer statt beim Land Berlin und es sieht ganz danach aus, als würde der Bund die frühere Grenzabfertigungshalle auch langfristig nutzen.

Im ersten Obergeschoss des Neubaus hängen derweil die ersten Fassadenelemente aus Glas und dunklem Metall. Sie lassen vermuten, dass von der Leichtigkeit und Eleganz des Entwurfs des inzwischen verstorbenen Architekten Mark Braun nicht allzu viel übrig bleibt. Der Neubau macht die Friedrichstraße zu einer engen Schlucht und nun wird spürbar, worum es den Nachbarn, die gegen das Projekt geklagt hatten, ursprünglich ging: Sie wollten mehr Licht und Luft. Weil der Neubau gegen die Regelungen zu den Abstandsflächen verstößt, musste das Land Berlin vier Millionen Euro Schadensersatz zahlen. Auch darum wird es im Untersuchungsausschuss gehen.

Aber nicht nur am Spreedreieck wird gearbeitet. Auch auf dem Grundstück Friedrichstraße 100 lärmen die Bagger. Die eingeschossigen Nachkriegsgebäude zwischen dem Bahnhof und dem Admiralspalast sind bereits eingerissen. Auf dem Gelände ist ein neungeschossiger Neubaukomplex aus Hotels und Büros geplant, der den denkmalgeschützten Admiralspalast, so viel ist sicher, deutlich überragen wird.

Dessen Hausherr Falk Walter findet es „städtebaulich schwer nachvollziehbar, warum wir eine Fassade unseres Gebäudes aufwändig wieder herrichten mussten, und jetzt ein Neubau davorgeklotzt werden soll“.Walter wirft dem Land vor, auf dem Nachbargrundstück dieselben Fehler wie beim Spreedreieck zu machen: „Die Baugenehmigung gab es auffallend schnell“, so Walter, „das deutet auf Mauschelei hin.“ Er lässt gerade rechtliche Schritte gegen das Projekt prüfen und sich durch einen Anwalt beraten – eine neue Klage ist nicht mehr ausgeschlossen.

Der Bezirk Mitte, zuständig für die Baugenehmigung, hatte stets bestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Baustellen gebe. Tatsache ist aber: Die Bauherren der Friedrichstraße 100 hätten gegen das Spreedreieck klagen können, taten es aber nicht. Die Opposition will auch die Baugenehmigung für die Friedrichstraße 100 untersuchen lassen, die für sie auffällig zügig erteilt wurde. Der Verdacht: Die Investoren hätten als Kompensation dafür, dass sie nicht auch noch gegen das Spreedreieck klagten und damit das Land noch weiter bedrängten, zügig ihr Baurecht erhalten. Die Investorengruppe wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Es wird nicht nur deshalb knirschen zwischen den neuen Nachbarn, das ist vorauszusehen. Walter fürchtet, der Hof des Admiralspalasts werde durch den Neubau dunkel und für Veranstaltungen kaum noch zu nutzen sein. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Baugenehmigung mit dem Denkmalschutz abgestimmt ist“, sagt Walter.

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