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Berlin: Frühling vorm Balkon

Der November war mild wie nie, und heute soll es 15 Grad warm werden:

Fichtenröhrenlaus und Bauarbeiter haben eines gemeinsam: Sie profitieren vom frühlingshaften Spätherbst. Heute sollen sich die Temperaturen zu rekordverdächtigen 15 Grad aufschwingen – also nahe an das Berliner Allzeitwärmehoch von 15,4 Grad heranrücken, das am 5. Dezember auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges im Jahr 1961 gemessen wurde.

Damit zur Fichtenröhrenlaus. Sie überwintert als Ei und auch als erwachsenes Tier – wobei Letzteres oft schief geht, wie Holger Schmidt vom Pflanzenschutzamt weiß: „Bei minus 14 Grad erfrieren die Tiere. Nur die Eier sind resistenter.“ Eine kommende Schädlingsplage müsse das nicht bedeuten, im Gegenteil: Manches Ungeziefer wird bei feuchtmildem Wetter von Pilzen befallen oder verrottet mitsamt dem Laub – und später Frost kann den dann schon weit entwickelten Schädlingen leicht den Garaus machen. Der Staatsfeind Nummer 1 der Pflanzenfreunde, die Kastanien-Miniermotte, überstehe jedoch jedes Wetter – ebenso wie die Wollige Napfschildlaus, die den Lebenssaft aus Ahorn und Linden saugt.

Die Wärme irritiert auch manche Pflanzen. „Was jetzt blüht, blüht halt im Frühjahr nicht mehr“, sagt Schmidt. Die Schäden würden im nächsten Jahr spürbar, wären aber für die Gewächse oft zu verkraften. Nur die „Frostkeimer“ bräuchten zwingend Kälte: ohne Frost kein Keim. Den Zootieren tut die Wärme nach Auskunft von Direktor Jürgen Lange gut: „Die meisten freuen sich, dass sie noch draußen sein können.“ Das gelte für tropische Wasservögel ebenso wie für Giraffen, die auf Schnee leicht ausrutschen würden.

Die Bauleute wiederum können bei der Wärme weiterbauen – bis das Material alle ist. Auf Dämmstoffe, Hölzer und Trockenbau-Zubehör müsse man statt der üblichen ein bis zwei jetzt sechs Wochen warten, heißt es bei Holz-Possling. Schon der milde November habe gegenüber dem Vorjahr ein zehnprozentiges Umsatzplus gebracht. Allerdings sei ein Teil des Geschäfts der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung zu verdanken. Das sagt auch Norbert Ewald von der IG Bau. „Da wird rangeklotzt bis Jahresende“, wobei das Wetter dazu ebenso beitrage wie die Fördergelder zur energetischen Gebäudesanierung. Da sei es ärgerlich, dass Dämmstoffe weitgehend ausverkauft seien. Kleiner Trost: Bei 15 Grad geht’s auch ohne.

Wie gut es geht, bekommt die Gasag zu spüren: Im November seien 20 Prozent weniger Gas verkauft worden als ein Jahr zuvor. „Der Vorsprung, den wir bis März hatten, ist bald dahin“, sagt Sprecher Klaus Haschker. „Aber wir haben keinen Grund zu jammern“ – und meint wohl auch die hohen Preise, die frühestens Ende März gesenkt werden sollen.

Die bange Frage nach weißer Weihnacht will Jens Neubauer, Meteorologe vom Dienst bei MC-Wetter, „nur als Privatmann“ beantworten: „Ich tendiere zu dem üblichen Weihnachtstauwetter.“ Wer das nicht hören will, kann BSR-Sprecher Bernd Müller fragen: „Unsere Fachleute sagen, es könnte Mitte Dezember winterlich werden“, orakelt er. Und fügt hinzu, dass diese Prognose vor allem auf „Bauchgefühl“ beruhe.

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