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Berlin: Fuchs, du hast die Stadt bezogen

Auf Baustellen, in Hinterhöfen – selbst im Finanzamt: Immer öfter sieht man die Tiere in der City. Denn dort finden sie Nahrung zuhauf

Der Fuchs hatte gerade dem Hasen Gute Nacht gesagt und lief nach Hause: über die Wilhelmstraße und Unter den Linden entlang Richtung Brandenburger Tor. Da staunt der zufällig vorbeikommende Laie. Aber der Fachmann wundert sich schon lange nicht mehr, wenn ihm in bester Citylage ein Fuchs begegnet. Niemand weiß, wie viele es sind. Klar ist nur: Es werden immer mehr dieser Tiere, die es dauerhaft in die City zieht.

So haben Polizisten erst kürzlich ein verletztes Jungtier aus einem Kellerschacht am Pergamonmuseum gefischt. Ein BVG-Mitarbeiter am Eingang des U-Bahnhofes Kochstraße schaut kaum noch hin, wenn ein Fuchs den amerikanischen Sektor via Checkpoint Charlie betritt und in einer Baustelle verschwindet: „Der wohnt da.“ Am Alexanderplatz musste nächtens ein Radler einem Fuchs ausweichen, der von der Baustelle der Rathauspassagen Richtung Fernsehturm lief. Und eine Autofahrerin stieg am helllichten Tag in der Niederkirchnerstraße in die Eisen, als ein Vertreter der rotbraunen Fraktion vom Abgeordnetenhaus zum Martin-Gropius-Bau eilte.

„Wir haben auch schon einen Fuchs im Finanzamt gehabt“, berichtet Carola Ruff, Geschäftsführerin des Berliner Tierschutzvereins. Während dieses Tier allerdings wohl versehentlich durch ein offenes Fenster gesprungen ist und den Rückweg nicht fand, sind seine Artgenossen mit Bedacht in die Innenstadt gezogen: „Die sagen ja nicht, ’ich brauch’s schön grün’, sondern suchen sich einfach einen ruhigen Hinterhof“, sagt die Expertin. Außerdem seien Füchse einfach „faule Hunde“: Deshalb leben sie gern in Nachbarschaft von Imbissbuden, wo sie zwischen Pizza, Pommes und Ratten als Nahrung wählen können. Ihr einziger Feind in der Stadt sei das Auto.

Die Tierschützerin wagt die Zahl der City-Füchse nicht einmal vage zu schätzen. Auch die Forstverwaltung hat keine Zahlen, zumal sie für Innenstadt-Bewohner nicht zuständig ist. Sprecher Marc Franusch hat aber gute Nachrichten für besorgte Stadtmenschen: Tollwut sei in Berlin seit Jahren nicht mehr nachgewiesen worden, den Fuchsbandwurm gebe es eher in Süddeutschland und räudige Füchse könnten mit ihrer Milbenkrankheit allenfalls Hunde anstecken.

Entwarnung auch für junge Eltern, denn der Fuchs hat allenfalls vielleicht mal eine Gans gestohlen. „Aber um Kleinkinder muss man sich keine Sorgen machen“, versichert Forst-Fachmann Franusch. Und beliebig vermehren könnten sich die Tiere auch nicht, weil jedes sein Revier verteidige – gegen Artgenossen zumindest. Die Innenstadt dürfte demnach bald komplett aufgeteilt sein.

Bei Begegnungen mit einem Fuchs heißt es also: Ruhe bewahren. Es besteht kein Grund zur Panik, und die Polizei hilft auch nur, wenn Gefahr im Verzug ist. Eine Fuchsfamilie auf dem Hinterhof zählt nicht zu derartigen Notfällen. Wer die unerwünschte Nachbarschaft loswerden will, macht am besten gründlich sauber und lässt die Tür offen, damit die nunmehr hungrigen Tiere sich eine neue Bleibe suchen können. In den Wald bringen sollte man sie nicht – sonst müssen sie nur mühsam in die Stadt zurücklaufen.

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