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Führerscheinentzug: Wer klaut und prügelt, soll künftig laufen

Eine Jeans geklaut – Führerschein weg? Die Justizminister der Länder wollen am Donnerstag über ein Fahrverbot als Strafe gegen Alltagskriminalität beraten. CDU und Polizeiverbände sind dafür, Berlins Justizsenatorin von der Aue lehnt den Vorschlag ab.

Eine Jeans geklaut – Führerschein weg? Schulhofschlägerei – danach nur noch zu Fuß unterwegs? Beim Graffiti-Sprühen erwischt – als Kurierfahrer entlassen? Die Justizminister der Länder wollen bei ihrer Konferenz, die ab Donnerstag in Hamburg tagt, über ein Fahrverbot als Strafe gegen Alltagskriminalität beraten. Bislang ist dies nur bei Verkehrsdelikten als Hauptstrafe üblich, oder als Nebenstrafe, falls ein Auto bei der Tat benutzt wurde. Rechtspolitiker und Polizeiverbände weisen darauf hin, dass etwa bei Diebstahl oft keine Haftstrafe drohe, sondern Geldbuße oder Bewährung. Dies schrecke junge Täter aber kaum ab. In Berlin werden jedes Jahr fast 100 000 Fälle von einfachem Diebstahl registriert.

Die CDU hält Fahrverbote für sinnvoll. Unions-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach von einer empfindlichen Sanktion, die von vielen Angeklagten stark gefürchtet werde. „Ein gutes Mittel“, sagte auch der Berliner CDU-Rechtsexperte Peter Trapp, Vorsitzender des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus. Und Bernd Busemann, Parteifreund und Justizminister in Niedersachsen, erklärte kürzlich, es gebe Taten, für die eine Haftstrafe zu viel und eine Geldstrafe zu wenig sei. Ein befristetes Fahrverbot sei dagegen deutlich spürbar, weil es die Bewegungsfreiheit einschränke.

Gegen den Vorschlag ist Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). „In Fahrverboten sehe ich bei Delikten keinen Nutzen, die mit Verkehr nichts zu tun haben“, sagte von der Aue dem Tagesspiegel. Führerscheinentzug sollte mit der Tat im Zusammenhang stehen. Wer im Stadtzentrum lebe, sei außerdem gegenüber denjenigen im Vorteil, die auf dem Land eine schlechtere Anbindung an Bus und Bahnen haben, hieß es aus der Justizverwaltung. Ähnlich sieht man das bei der Linken. In den Vorschlag sei „Ungleichbehandlung systemisch mit eingebaut“, sagte Halina Wawzyniak, Juristin und Vize-Bundeschefin der Partei. „Unterschiedliche Wirkungen gibt es im Strafrecht immer. Wer Geld hat, zahlt auch seine Geldstrafen aus der Portokasse“, erklärte hingegen der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Die bekannte Neuköllner Jugendrichterin Kirstin Heisig sagte, dass Fahrverbote als Strafe „in bestimmten Milieus wirksam“ wären. Für viele junge Männer sei der Führerschein ein Statussymbol, dessen Verlust oft schwerer wiege als andere Strafen. „Verkehrt der Täter in Kreisen, in den Autofahren unweigerlich dazugehört, wäre dies eine geeignete Strafe“, erklärte auch Michael Purper, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei.

Kritik kam von zahlreichen Strafverteidigern. „Wer den Führerschein einzieht, erreicht genau das Gegenteil von Resozialisierung“, sagte Sönke Hilbrans vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein. Um Teil der modernen Arbeitswelt sein zu können, sei Autofahren oft erforderlich. Strafverteidiger wiesen außerdem darauf hin, dass vielerorts schon jetzt bei Delikten außerhalb des Straßenverkehrs zum Entzug der Fahrerlaubnis gegriffen werde. Hintergrund ist die im Gesetz etwas unklar verlangte „charakterliche Eignung“ der Autofahrer. Und ob ein Verkehrsteilnehmer über diese Eignung verfügt oder nicht, ist Auslegungssache. In einigen Städten wird wie folgt vorgegangen: Erfährt die Verkehrsbehörde von einem Vorfall, kann für den Täter eine medizinisch-psychologische Untersuchung – auch „Idiotentest“ genannt – angeordnet werden. Bis dahin gilt striktes Fahrverbot.

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