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Berlin: Führt Schröder die "Bundeskulturpolitik" ein? Jedenfalls setzte der Bundeskanzler in seiner Rede entsprechende Akzente (Leitartikel)

Die Sonne schien auf den Kanzler, der zum Richtfest der Alten Nationalgalerie sprach, und auf die ganze Berliner Museumsinsel. Doch das war nur der Rahmen.

Die Sonne schien auf den Kanzler, der zum Richtfest der Alten Nationalgalerie sprach, und auf die ganze Berliner Museumsinsel. Doch das war nur der Rahmen. Gerhard Schröder, der die Kultur mit der Installierung des entsprechenden Staatsministers als strategisches Politikfeld besetzt hat, nutzte den Anlass zu einem Appell an die Selbstverpflichtung der Bürger. Die Geldnot des Gemeinwesens trifft zuallererst die "freiwilligen" Leistungen des Staates - wie die Kultur. Schröders Werben um Mäzene, ja der Begriff einer "mäzenatisch eingestimmten Bürgergesellschaft", geht über bisherige Ermutigungen privaten Engagements hinaus. Zwar steht es nicht in der Macht der Politik, eine solche Mäzenatengesellschaft zu schaffen; die versprochenen Erleichterungen im Steuerrecht räumen den Weg allenfalls frei. Vielmehr handelt es sich um einen tiefgreifenden Wandel, den Schröder beschreibt, und den zu vollziehen wir Deutschen nicht umhinkommen, wenn wir das Erbe einer von bürgerlichem Zutun entscheidend mitgeprägten Kultur bewahren wollen.

Der Bundeskanzler, der gleich beim ersten Blick aus seinem vorläufigen Amtssitz das fehlende Stadtschloß beklagte, will sich in Zukunft an die Silhouette der Museumsinsel halten. Sein Auftritt beim gestrigen Festakt hat eine symbolische Bedeutung, die nicht nur die Verantwortlichen der Preußen-Stiftung zu schätzen wissen. Die Leistungen der größten deutschen Kultureinrichtung, über deren Tätigkeit die Bundesländer unter Beteiligung des Bundes befinden, werden zu einem Zentralthema der schröderschen Bundeskulturpolitik.

Nicht, dass der Kanzler ein solches Wort gebraucht hätte. Natürlich bezog er die Länder in den Passagen über die Mittel für die Baumaßnahmen ein. Auffällig aber war es schon, dass das heilige Wort von der "Länderkulturhoheit" in seiner Rede keinen Platz fand, ein Wort, ohne das kein Bundespolitiker über Kultur bislang auch nur zu denken wagte.

Mit Schöder sprach überhaupt zum ersten Mal ein amtierender Bundeskanzler in Angelegenheiten der Stiftung. Das liegt in der Konsequenz der bisherigen, jahrzehntelang geübten Finanzierungspraxis, bei der der Bund längst zur tragenden Kraft gewachsen ist und Berlin - aus naheliegendem Interesse - beinahe allein die föderale Sache auch finanziell beglaubigt. Mit der Sanierung der Museumsinsel soll es jetzt zielstrebig vorangehen. Nur mehr zehn Jahre, so die Vorgabe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sollen noch vergehen, bis alle Museen in altem Glanz (und neuer Technik) erstrahlen. Die Kosten von bis zu zwei Milliarden Mark wollen und müssen der Bund und das Land Berlin gemeinsam aufbringen - ohne darüber die weiteren Stiftungs-Vorhaben, an der Spitze die Sanierung der Staatsbibliothek Unter den Linden, zu vernachlässigen.

Mit seinem Auftritt gab Schröder zugleich das Signal, dass die kulturellen Leistungen, die aus der Tradition des untergegangenen Preußen herüberreichen, mit der Hauptstadtwerdung Berlins zu einer Herzensangelegenheit des Bundes werden. Die Alte Nationalgalerie als Schauplatz der Kanzlerrede liefert das passende Symbol. In ihrem Namen verweist sie auf die Kulturnation, die über lange Zeiten hinweg das einigende Band der Deutschen war, wann immer ihnen die gemeinsame Staatlichkeit nicht zur Verfügung stand. So auch in den Jahrzehnten vor 1989. Die Museumsinsel in der Mitte Berlins bewahrt dieses gemeinsame kulturelle Erbe, und ihre Wiederherstellung darf zu Recht als Zeichen der kulturellen Selbstverpflichtung der Bundesrepublik verstanden werden.

So markiert der gestrige Festakt, wie überschaubar sein Anlass auch war, eine Akzentsetzung in der Politik des Bundes - und so etwas wie ein Innehalten im Selbstverständnis der Kulturnation.

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