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Demonstration "Mediaspree versenken!" in Berlin: Die Bürgerinitiative "Mediaspree versenken!" protestiert am Samstag an der East-Side-Gallery in Berlin gegen die weitere Bebauung des Spreeufers. Die Initiative fordert die Umsetzung eines Bürgerentscheids von 2008, in dem mehrheitlich gegen die Bebauung des Spreeufers gestimmt wurde.

© dpa

Fünf Jahre Bürgerentscheid "Mediaspree": Statt mehr Kiez gab es mehr Kies

Mehrere hundert Demonstranten machten am Samstag in Berlin ihrem Unmut über den nicht umgesetzten Bürgerentscheid "Mediaspree" Luft. 87 Prozent der Wähler hatten sich vor genau fünf Jahren gegen das Investorenprojekt und gegen die Bebauung des Spreeufers ausgesprochen. Doch statt Kiez gab es Kies.

„Wer kämpft, kann verlieren“, hieß es auf dem Banner an der Seite des blau-gelben Lasters. „Aber wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Der Lastwagen fuhr an der Spitze des Protestzuges mit mehreren hundert Teilnehmern, der am Samstagnachmittag vom Stralauer Platz bis zur Elsenbrücke führte und dort die Spree überquerte, woraufhin es zurückging. Von den sechs Protestwagen dröhnte Reggae, Ska und Techno, auf den Plakaten standen Parolen wie „Berlin: bedrohter Lebensraum“ und „Mehr Kiez statt Kies“. Die Initiative „Mediaspree versenken!“ hatte zu der Demonstration anlässlich des fünften Jahrestages des Bürgerentscheids in Friedrichshain-Kreuzberg aufgerufen. Damals hatten sich 87 Prozent der Wähler gegen das Investorenprojekt „Mediaspree“ und gegen die Bebauung des Spreeufers ausgesprochen.

Neben den Banner auf dem blau-gelben Laster stand Robert Muschinsky, Organisator der Demonstration, der seinem seinen Unmut über den nicht umgesetzten Bürgerentscheid Luft machte: „In den vergangenen fünf Jahren ist die Situation schlimmer und nicht besser geworden!“ Zwar habe es nach dem Entscheid Gespräche mit dem Bezirk gegeben, „aber wir haben festgestellt, dass der Bezirk stark durch den Senat beschränkt wird“, kritisierte Muschinsky zu beginn der Demo. Die Anzahl der Reizprojekte entlang der Spree habe nicht abgenommen. Er nannte den geplanten Neubau hinter der East Side Gallery, das gerade eröffnete Mercedes-Vertriebsgebäude nebenan und die Planung von zwei bis zu 110 Meter hohen Türmen der Firma Agromex in Alt-Treptow. Aber trotz der vielen Problemstellen, so Muschinsky, gebe es noch genug Grundstücke, auf denen man ein positives Beispiel setzen könnte.

Auch der Verein Mehr Demokratie, der sich für stärkere Bürgerbeteiligung in der Politik einsetzt, zieht zum fünfjährigen Jahrestag des Bürgerentscheids eine negative Bilanz. „Wesentliche Teile des Bürgerentscheids wurden nicht umgesetzt“, sagte Michael Efler, Bundesvorstandssprecher des Vereins, dem Tagesspiegel am Sonnabend. So sei weder ein 50 Meter breiter Uferstreifen geschützt worden, noch wurde die in dem Bürgerentscheid enthaltene Höhenbegrenzung von Hochhäusern umgesetzt. „Das Problem ist: Der Senat fühlt sich an das Bürgervotum nicht gebunden“, beklagt Efler. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und dessen Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) hätte zumindest versucht, den Bürgerentscheid im Rahmen ihrer Möglichkeiten umzusetzen, lobt Efler.

In der Regierungskoalition sieht man den Jahrestag mit gemischten Gefühlen. Einerseits habe die Diskussion über den Bürgerentscheid die Stadt und die Politik „für bestimmte Themen sensibilisiert“, lobt Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU. Der im „Forum Stadtspree“ organisierte Austausch zahlreicher Beteiligter, die mit dem Areal zu tun haben, sei sehr konstruktiv gewesen. Dass der Bürgerentscheid trotz der großen Zustimmung jedoch kaum umgesetzt wurde, findet der CDU-Politiker ungeachtet dessen richtig: Darin seien weniger einzelne Baumaßnahmen kritisch hinterfragt worden, stattdessen hätte die Umsetzung des Votums „jede bauliche Entwicklung außer Kraft gesetzt“. Daher sei er froh, dass der Bürgerentscheid für die Politik nicht bindend war.

Viele der Demonstranten am Samstagnachmittag kamen zwar mit Trillerpfeifen und Plakaten bewaffnet, waren nach fünf Jahren Widerstand ohne Erfolg jedoch auch ernüchtert und ausgezehrt. Vor sieben Jahren zog die Spanierin Irene S. nach Berlin. „Damals war ich total beeindruckt von dieser Stadt, die im Bau war“, sagt sie. „Diese offenen Räume sind ein Luxus. Dass sie jetzt verschwinden, das ist krass. Ich will eine Perspektive sehen, aber es ist nicht einfach. Da können wir noch so viel demonstrieren, ohne Hilfe aus der Politik bringt es nicht viel.“

Einer der wenigen Politiker, der solidarisch mit den Demonstranten marschierte, war der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne). Er zeigte sich von allen am kampfeslustigsten, als er von dem blau-gelben Laster, der gerade an der O2-Arena vorbeifuhr, den Demonstranten zurief: „Wir sehen hier das O2-Land und dort das Mercedes-Land. Das war nicht so gemeint mit dem Bürgerentscheid. Wir haben gesagt, das ist unser Land. Fünf Jahre nach dem Entscheid sehen wir, dass das nicht so enden darf. Wir müssen auf die Straße.“

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