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Fünf Jahre O2-Arena: Die Ostdeutschlandhalle

Hier wird geklatscht, getanzt und geschlittert, hier feiern die Eisbären ihre Meisterschaft, hier taumelte Whitney Houston auf der Bühne herum. Erinnerungen unserer Redakteure an die Großarena.

Auf dem Eis

In der Chronik der Mehrzweckhalle an der East Side Gallery heißt es, dass das erste Eishockeyspiel am 15. September 2008 zwischen den Eisbären und Augsburg zur Vorführung kam. Das ist Blödsinn. Das erste Eishockeyspiel fand zehn Tage vorher statt. Es standen sich gegenüber: eine verstärkte Auswahl von verdienten Mitarbeitern dieser Zeitung und eine Mannschaft, die ich vergessen habe. Wir durften damals das Eis testen und danach die Zapfanlage des Vip-Raums. Das Eis war so glatt und groß, dass wir den ersten Test zugunsten des zweiten früher abgebrochen haben. Könnte auch sein, dass das an den zuschauenden Spielern lag, die sich gerne ablenken ließen. Das konnten wir beim besten Willen nicht verantworten, weil die Mannschaft sich angemessen auf die Saison konzentrieren sollte. Diese Entscheidung hat sich als sehr weitsichtig erweisen. Die Eisbären gewannen ihr Spiel gegen Augsburg 11:0, und Meister wurden sie später auch. Sven Goldmann

Mit der Klatschpappe

Ein Ausflug mit den Kindern zu Alba, als sie noch hochklassig Basketball spielten. Wir wunderten uns, wie nah wir am Feld saßen. Das Klackern der Faltpappe ließ die Halle beben, bis der nächste Korb die Erlösung brachte. Vom Schlagen der Pappe und dem Jubel waren wir nach dem Spiel erschöpft. Zwei Wochen vorher hatten wir im Olympiastadion gesessen, Hertha gegen Cottbus, 0:0. Seitdem gucken wir Basketball live und Fußball nur im Fernsehen. Thomas Loy

In der Komfortzone

Die Helden sind älter geworden, man selber ja auch. Was bedeutet, dass man Komfort mehr zu schätzen weiß als in jenen seligen Jahren, da es egal war, wie kalt, nass, verräuchert oder unpünktlich ein Konzert war. Die O2-World, nennen wir sie lieber Ostdeutschlandhalle, war insofern eine Offenbarung: Warm, komfortabel, gute Sicht auf die Stars. Während des Konzerts, in das man als Dylanologe gekommen ist, bin ich ein bisschen zum Knopfleristen geworden. Und: Es fing pünktlich an, hörte beizeiten auf, zum Bahnhof war’s nicht weit. Warum werden eigentlich Institutionen, in denen alles einigermaßen stimmt, mit dem Schimpfwort „stromlinienförmig“ bedacht? Elisabeth Binder

Bei tanzenden Türken

In der Arena am Ostbahnhof habe ich vieles gesehen: Eishockey, Basketball, Konzerte. Das aber war mir neu: Über Bekannte hatte ich eine Karte für „Troja“ zugesteckt bekommen, eine Tanzshow. Der Innensaal war bestuhlt, auf der Bühne stand ein überdimensionales Pferd – davor hockte die berlinisch-türkische Community mit Kopftuch oder Hut und applaudierte bei jeder patriotischen Filmeinspielung. Und davon gab es einige. Vorne wurde mit weiten Röcken getanzt, Filme erzählten von der Schlacht um Troja. Am Schluss erklang die türkische Nationalhymne. Beim Rausgehen dachte ich: Ooch dit is’ Berlin, mitten im Nirgendwo. Robert Ide

Bei der torkelnden Whitney

Ach, früher. Da gab’s den Wellblechpalast. Ein Idyll am Stadtrand: laut, dreckig, charismatisch, Heimat der Eisbären. Früher gab’s auch die Deutschlandhalle, genauso oll und toll. Dann kam das Jetzt. In der O2-Halle gab es keine schmierigen Frittenbuden und Bierschänken, die Kioske hießen nun „Focacceria“ und „Refreshment Store“ (oder so ähnlich), und wenn das Bier ausschwappte, eilten prompt zwei mobile Wischkräfte herbei. Äh, ist das hier noch Berlin? Später kam dann Whitney Houston auf die Bühne. Sie war betrunken und rülpste ins Mikro. Das war Berlin – wie früher. André Görke

Beim griechischen Derby

1. Mai 2009, Final-Four-Turnier der Basketball-Euroleague. Im Halbfinale spielen die griechischen Erzfeinde Panathinaikos Athen und Olympiakos Piräus. Vor der Halle werden die Fans von der Polizei getrennt, drinnen besetzen sie die Kurven und legen los: Die grünen Panathinaikos-Anhänger singen unermüdlich, hinter Schwaden von Zigarettenrauch (streng verboten) sind hüpfende Männer mit nackten Oberkörpern auszumachen. Die Olympiakos-Fans pfeifen, gestikulieren und brüllen, am Ende gewinnt Rivale Panathinaikos knapp. Für den Beobachter bleibt ein Klingeln in den Ohren. Und die Erkenntnis: Es kann ja doch richtig krachig, emotional und stimmungsvoll sein in dieser Halle. Lars Spannagel

Beim Eishockey

Eishockey, das war Arbeit. Stundenlang stehen im kühlen Stadion, sich die Seele aus dem Leib brüllen, im Dunst der Zigaretten versuchen, den Puck da unten auszumachen. Ab und an schwappte ein Bier vom Nachbarn über Trikot und Schal. Der Stadionsprecher: kaum zu hören im Getrommel. Mit dieser Erinnerung an die Spiele der Krefeld Pinguine dachte ich mir: Warum nicht mal in Berlin jubeln, wenn die Jungs zu den Eisbären kommen. Doch mit meiner Eishockey-Welt hat die O2-World nichts zu tun. Teure Fressbuden, Sitzplätze, gemäßigte Stimmung. Zugegeben, der Blick aufs Eis von oben ist imposant. Aber Seele hat die Arena, so finde ich als alte Rheinlandhallen-Besucherin, nicht. Jahel Mielke

Beim Punkrock

Die Halle ist Heimat der Berliner Eisbären. Seit 2008 spielt der siebenfache Deutsche Eishockeymeister hier.
Die Halle ist Heimat der Berliner Eisbären. Seit 2008 spielt der siebenfache Deutsche Eishockeymeister hier.

© dpa

Wie soll das zusammenpassen: Punkrock und dieser sterile Klotz? Campino singt und springt 2008 zusammen mit seinen Toten Hosen gegen die Skepsis an. So laut und stark, dass sich bald kaum jemand für den Rahmen interessiert. Das Licht der Bühne ist heller als die Leuchtreklamen der Arena. Gut ein Jahr nach der Eröffnung ist das Konzert so etwas wie der letzte Beweis: Dieses Ding da mitten in der Stadt funktioniert. Draußen ist es bitterkalt, drinnen schwitzen die Zuschauer. Das Bier schwappt aus ihren Bechern. Es ist gar nicht so steril wie alle sagen. Katrin Schulze

Im Keller

In die Unterwelt dürfen nur Auserwählte. Spieler, Künstler, Trainer ... Dort duschen sie, werden geschminkt, singen sich warm. Ich kannte diese Halle nur als Zuschauer. Bis der Boxer Arthur Abraham für ein Interview vorschlug: O2-Arena, später Vormittag. Wir landeten in der Umkleidekabine der Eisbären. Bänke, Kleiderhaken, kaltes Kunstlicht. Abraham trug ein glänzendes Shirt, knalleng, jeder Muskel als Relief zu sehen. Er zog eine Staude Bananen aus einer Plastiktüte und erwies sich als amüsanter Erzähler mit Bananenhunger. Zwischendurch verschwand er auf den Toiletten der Eishockeyspieler: Ich muss mal. Norbert Thomma

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