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FÜNF  MINUTEN  STADT: Hartes Rubbel-Los

Diese blauen Augen, von keinem Gedanken getrübt, auf der Rigaer Straße in Friedrichshain an einem Freitag: Ein Drogeriemarkt eröffnet, deshalb ist er hier, ein Mann aus Wiesbaden, gebucht im Auftrag des anthroposophischen Oberdrogisten aus dem fernen Karlsruhe, die Kundschaft in „Erlebniswelten“ zu locken, wie er sagt. Vor dem Mann steht eine Messingschüssel voll Wasser, und links und rechts jeweils ein Griff, blank poliert wie sein Lächeln.

Diese blauen Augen, von keinem Gedanken getrübt, auf der Rigaer Straße in Friedrichshain an einem Freitag: Ein Drogeriemarkt eröffnet, deshalb ist er hier, ein Mann aus Wiesbaden, gebucht im Auftrag des anthroposophischen Oberdrogisten aus dem fernen Karlsruhe, die Kundschaft in „Erlebniswelten“ zu locken, wie er sagt.

Vor dem Mann steht eine Messingschüssel voll Wasser, und links und rechts jeweils ein Griff, blank poliert wie sein Lächeln. Das Leben braucht Widerstände, sagt er nun, taucht seine Hände ins Wasser und reibt an den Griffen, immer schneller, bis die Schwingung das Wasser blubbern lässt. Greif doch mal rein, sagt er dann, ein begeisterter Verkünder der neuen, biodynamischen Zeit, und ob man denn nicht spüre, wie das Leben in der Schüssel sprudele.

Aber auch die alte Zeit sendet noch einmal ihre Elitetruppen: Ein Rudel Punks erscheint, natürlich mit Hunden, und natürlich gehen die Hunde aufeinander los, und die Punks werfen sich brüllend zwischen die Bestien. Nur der Schüsselrubbler ist ihnen keinen Blick wert, und wenn nicht einmal mehr so einer aus Punkerperspektive satisfaktionsfähig ist, dann hat sie wohl gewonnen, die neue Zeit.

Und so bleibt ihm nur das Lächeln der heillos gesunden Drogistenkundschaft, kein Benieteter kommt, legt ihm eine Hand auf die Schulter und schenkt ihm eine Idee wie diese: Das, was du Leben nennst, mein Freund, ist nur Physik.Tiemo Rink

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