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FÜNF  MINUTEN  STADT: Total ausgerastet

Donnerstagmorgen, 9 Uhr, krachendes Erwachen. Trillerpfeife, Megafon, Sirene.

Donnerstagmorgen, 9 Uhr, krachendes Erwachen. Trillerpfeife, Megafon, Sirene. Ein Blick aus dem Fenster – Kreuzberg: Lausitzer, Ecke Wiener Straße – und die Gewissheit: Demo. Auf beiden Seiten der Absperrung die Krieger für die Schlacht gerüstet. Und ich will nur nach Hause, nach Neukölln, Rixdorf. Vom Kottbusser Tor mit der U8 zum Hermannplatz, dann den 41er. Jetzt aber: Rein ins Getümmel.

Aus dem schwarzen Block hört man etwas von Scheiß-Gentrifizierung, Steine fliegen nicht, nur eine kleine Wodkaflasche. Angeheitert schmeißt sich’s besser. Die Passanten retten sich mit mir in die U-Bahn. Hermannplatz, Umsteigen. Zwei junge Studentinnen haben den gleichen Weg. Die eine zückt ihr Handy. „Ja, war krass“, sagt sie ins Telefon. „Die Bullen sind total ausgerastet, ohne Grund, Tränengas und alles.“ Die Freundin nickt stumm. Bestätigung. Dass die Demo da gerade wirklich krass war. Und sie mittendrin.

„Hast du mich im Fernsehen gesehen?“, fragt sie ins Handy. „Ich habe mich extra auf eine Säule gestellt.“ Nee? Na ja, schade. Themawechsel, irgendwie. Sie, die Freundin am Telefon, müsse unbedingt mal die neue Wohnung anschauen. Ein Zimmer, Nähe Weserstraße, nicht ganz billig, 400 Euro, aber „so, so schön“. Mit abgezogenen Dielen. Total toll.

Schade eigentlich, denke ich, dass ich die Wodkaflasche nicht aufgehoben habe. Ich hätte jetzt so gerne etwas, um es zu schmeißen. Dominik Drutschmann

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