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Berlin: „Für Berliner Gäste ist Caipirinha ein Unwort“

Günter Windhorst über Cocktails, das typische Damengedeck, verliebte Paare – und Zechpreller

Günter Windhorst betreibt seit 1999 das gleichnamige Lokal in Mitte, an der US Botschaft. Im Schatten der von Betonpollern und Gittern gesicherten Festung sprach Frank Jansen mit ihm über Berlins Barszene. Dem Ernst des Themas angemessen gab es Cappuccino und Küchlein.

Ihre Bar ist die bestbewachte in Berlin. Wie trinkt es sich neben der US-Botschaft?

Sehr entspannt. Allerdings wurde trotz der vielen Polizei bei uns schon eingebrochen. Aber es gibt keine durchlaufende Hektik. Zu uns kommt keiner nur wegen eines einzigen Drinks. Der Gast bleibt länger, weil die Anreise nicht so einfach ist.

Was trinkt der Botschafter der USA?

Er hat sich nicht vorgestellt. Aber ich glaube auch nicht, dass er hier war. Die Amerikaner verlassen die Botschaft und sind weg, sehr ängstlich. Es gab nur einen nicht ganz so linientreuen Diplomaten, der hat hier oft große tropische Becher wie Planter’s und Hurricane getrunken.

Berliner trinken auch gerne Cocktails aus Humpen. Keeper in Havanna oder Barcelona würden Amok laufen.

Aber das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Der Gast erhält für viel Geld etwas Großes und Buntes. Doch es stimmt schon: Die Becher werden immer größer. Jetzt ist Schluss. Mehr Eis sollte nicht rein. Sonst wird der Cocktail zu kalt.

Welche Cocktails trinken die Berliner?

Die Damen sind wild auf den Cosmopolitan, den Drink von „Sex and the City“. Dann ist Mai Tai der Favorit, auch bei Männern. Oft als Anfangsdrink. Leider.

Leider?

Im ersten Moment steigt mit dem Mai Tai die Stimmung, aber dann fällt sie ganz schnell in den Keller. Wer eine halbe Flasche Rum getrunken hat, ist nicht mehr der Partylöwe. Der Mai Tai ist für den Anfang zu stark. Aber viele Leute wollen es einfach nicht glauben.

Manchmal wird zum Mai Tai auch noch eine schwere Zigarre bestellt.

An einem Abend sechs oder acht Zigarren, das verträgt keine Lüftung. Und die Zunge ist belegt. Man kommt nicht mehr dazu, einen Drink zu genießen. Aber der Zigarrenboom ist fast vorbei, weil die Havanna-Mode ausläuft. Die Gäste entdecken Zigarillos. Viele haben ihre eigene Marke, davon stecken dann zwei Stück in der Westentasche. Bei Zigaretten ist es so, dass Frauen deutlich mehr rauchen als Männer. Das ist erschreckend.

Die Berlinerin ist süchtig nach Cosmopolitan mit Marlboro?

Das typische Damengedeck ist eine Schachtel Zigaretten, ein Glas Leitungswasser und ein Cosmopolitan.

Klingt wenig sexy.

Es ist geschmacklich unerotisch.

Trinken Berliner anders als Touristen?

Für unsere Berliner Gäste ist Caipirinha fast ein Unwort. Caipirinha ist wie ein Glühwein, das kriegt man auf jedem Markt. Aber Touristen wollen „Caipi“.

Dann droht der Rauswurf?

Nein. Ich sehe das als Geschäftsmann: Die Wareneinsatz ist beim Caipirinha gering, die Gewinnmarge hervorragend. Aber ich freue mich natürlich, wenn auswärtige Gäste ihr Spektrum erweitern.

Sie lehnen keinen Wunsch ab?

Doch. Vor zwei Wochen wollte eine Dame einen „Orgasmus“. Ich hab’ den Namen schon gehört, aber ich habe mir nie die Mühe gemacht, das nachzulesen. Der Name hat nichts mit Trinkkultur zu tun.

Welche Gäste sind besonders penetrant?

Junge Leute, die versuchen, ein Jahrzehnt zu überspringen. Die wissen aus Filmen, wie man sich benehmen kann, wenn man schon einiges erlebt hat, aber sie können es einfach nicht verkörpern. Da sitzt zwar der Geldschrank im Jackett, aber es mangelt an Stil und Erfahrung.

Wer ist der ideale Gast?

Das ist der, der mich fordert und nicht nur abruft. Und der mit dem nötigen Fingerspitzengefühl ahnt, wann der Barkeeper Zeit hat, sich mit ihm zu unterhalten.

Worüber wollen die Leute reden?

Die meisten suchen Beratung zu Cocktails.

Keinen Seelentrost?

Nö.

Gibt es im Windhorst keine Dramen?

Doch. Wenn Pärchen auseinander gehen. Die kommen rein, wollen sich zusammenraufen, und es klappt nicht. Einer verlässt wutentbrannt das Lokal, einer bleibt sitzen. Meistens die Frau.

Dann wird doch getröstet?

So einer Frau kann man nicht so etwas Profanes wie die Rechnung bringen. Ich sage, „geh’ einfach heim“ oder „nimm’ dir ein Taxi“. Dann ist die Rechnung egal.

Wie weit gehen Paare, die sich gut verstehen?

Gleich in der ersten Woche nach der Eröffnung gab es ein junges Pärchen, das war plötzlich weg. Nach einer Viertelstunde habe ich das Lokal abgesucht. Bei den Toiletten hörte ich es dann quieken.

Sie haben sicher streng interveniert.

(lacht) Was sollte ich machen? Die kamen irgendwann wieder und haben ihre Cocktails zu Ende getrunken. Die Drinks waren aber schon ziemlich verwässert.

Wie oft gibt es Ärger mit Zechprellern?

Nur selten. Eine Frau aus der Medienszene vergesse ich allerdings nicht. Die hat großartig getafelt, zum Schluss hieß es: Kreditkarte vergessen, so ein Ärger. Ich habe die Frau nie wieder gesehen. An ihre Rumflasche habe ich die Rechnung geklebt, falls sie doch nochmal kommt. Ansonsten sind Zahlungsmoral und Trinkgeld gut. Es wird auch nicht geklaut. Ich habe 1999 vier Zuckerstreuer gekauft, die sind alle noch da. Vielleicht bewirkt das die Polizei vor dem Lokal.

Wie hat sich die Barszene in den vergangenen zehn Jahren verändert?

Zu explosionsartig. Ende der 90er Jahre war der Markt gesättigt. Aber es kamen noch 50 Bars dazu. Doch so viel gutes Personal konnte nicht nachwachsen. Viele Quereinsteiger versuchen, auf die Schnelle nach den Büchern von Charles Schumann Cocktails herzustellen. Wenn das so weitergeht, gibt es bald viele Bars auf dem Niveau von Billardcafés.

Hat die depressive Stimmung, die dieses Jahr durchs Land gewabert ist, die Umsätze der Cocktailbars gebremst?

Eher nicht. In die guten Bars kommen viele trinklustige Menschen, die geben nicht auf. Im Vergleich zum Rest der Republik ist die Berliner Szene großartig.

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