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Berlin: Für den Job zu müde, weil die Freundin schlafwandelt

Arbeitsloser lehnt Beschäftigung mehrfach ab Vor Gericht wehrt er sich gegen Sanktionen

Das Jobcenter Treptow-Köpenick hat es nicht leicht mit Frank G. Er sieht es umgekehrt wahrscheinlich genauso. Denn seit Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze vor drei Jahren überzieht er die Behörde vor dem Sozialgericht mit einer Klage nach der anderen. Der Jobcenter-Vertreter im Gericht spricht von unzähligen Verfahren. G. weiß es genau. 21 sind es inzwischen. „Vier davon habe ich gewonnen“, sagt der 34-Jährige und schaut schon ein wenig stolz. Bisher habe er erst eins verloren, die übrigen Klagen stehen noch aus.

Im Wesentlichen wehrt sich G. gegen seiner Meinung nach „unrechtmäßige“ Sanktionen. Diese verhängt das Jobcenter immer wieder gegen ihn, weil er angebotene Tätigkeiten nicht annimmt. G., der einst eine Maurerlehre abgebrochen hat und mit Unterbrechungen seit ungefähr 1990 arbeitslos ist, hält dagegen, dass diese Arbeiten für ihn alle ungeeignet waren. G. meint, einen guten Grund dafür zu haben: Seine Ex-Lebensgefährtin schlafwandelte. „Und ich musste nachts immer aufpassen, dass unserem Sohn nichts passierte. Die warf nämlich mit Sachen um sich“, sagt G. Deswegen hätte er gar nicht ganztags arbeiten können, sondern allenfalls ein paar Stunden. „Die Sicherheit des Kindes geht vor, da kenne ich nichts.“ Inzwischen hat sich G. von seiner Lebensgefährtin getrennt, aber die Verfahren laufen noch. Denn angesichts der allgemeinen Klageflut gegen Hartz IV kommt das Gericht mit der Bearbeitung der Klagen nur mühsam hinterher. Allein im letzten Jahr gingen mehr als 18 000 Verfahren ein. Durchschnittlich muss man ein gutes Jahr bis zu einer Verhandlung warten.

An diesem Tag ist also erneut ein Termin vor dem Sozialgericht. Auf der linken Seite vor dem Richtertisch nimmt G. Platz und klappt sein Aktenköfferchen auf. Einen Anwalt hat er nicht. Den braucht er vor einem Sozialgericht auch nicht; dort kann sich jeder selbst vertreten. „Das Wissen habe ich mir selber angeeignet.“ Der Sanktionsbescheid, der verhandelt wird, liegt schon mehr als zwei Jahre zurück. Er stammt vom Dezember 2005, also noch aus dem ersten Jahr von Hartz IV, als in den Jobcentern vieles drunter und drüber ging und bei den Mitarbeitern große Rechtsunsicherheit herrschte.

In diesem Fall hatte das Jobcenter angekündigt, für drei Monate das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent – um jeweils 93 Euro – zu kürzen. G. hatte wieder einmal eine Arbeit nicht angenommen. Vor Gericht sagt er zudem, dieser Job sei für ihn gar nicht in Frage gekommen, da er für die Tätigkeit als Pförtner einen Sicherheitsschein der Industrie- und Handelskammer hätte haben müssen. Als Richterin Ulrike Willkomm darauf verweist, dass es sich doch dort mitnichten um eine Pförtnertätigkeit, sondern um eine leichte Büroarbeit gehandelt habe, sagt G., der Arbeitgeber sei ohnehin nicht an ihm interessiert gewesen. Er hatte der Firma nämlich telefonisch mitgeteilt, dass er nur drei bis vier Stunden arbeiten könne. Zu einem Vorstellungsgespräch war er erst gar nicht gegangen.

Richterin Willkomm muss jedoch über all dieses gar nicht entscheiden. Der Sanktionsbescheid war – wie so oft – fehler- und lückenhaft. Nach Auffassung der Richterin also auf jeden Fall nicht rechtmäßig, also unwirksam. Dem möchte der Jobcenter-Vertreter nicht widersprechen. „Der Bescheid gefällt mir auch nicht“, sagt er resignierend. „Wir akzeptieren das.“ Das Jobcenter hatte es seinen Angaben zufolge ohnehin nicht geschafft, die Kürzungen auch umzusetzen. Das Geld war ausgezahlt worden. Man hätte es jetzt allenfalls zurückfordern können.

Darüber, ob die schlafwandelnde Lebensgefährtin ein wichtiger Grund ist, eine Arbeit abzulehnen, wird demnächst das Landessozialgericht entscheiden müssen. Denn ein ähnliches Verfahren hatte G. vor einem Jahr in der ersten Instanz vor einer anderen Kammer verloren. Das Gericht hatte sich auch auf ein ärztliches Gutachten berufen, wonach das Schlafwandeln kein ernstes Problem gewesen sei. Für Frank G. war es damals natürlich keine Frage, sofort in die Berufung zu gehen.

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