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Berlin: Funken für die Forschung

Schülerlabore vermitteln praxisnahes Wissen. Nun wollen sie mehr Unterstützung von der Landespolitik

Der neunjährige Ali hält seine Nase dicht an das Reagenzglas und wedelt mit der Hand: „Riecht salzig“, ruft er. Zum Glück ist nur eine normale Salzlösung im Glas, denn die Nase ist viel zu dicht dran. „Wie riecht man richtig?“, bekommt er prompt zu hören. Auch wenn die Kinder der Carl-Kraemer-Grundschule keine gefährlichen Substanzen in die Hand bekommen, sollen sie doch richtiges Verhalten lernen und die richtige Kleidung tragen. So schauen die Kinder durch übergroße Schutzbrillen auf ihre Experimente, während die langen, weißen Laborkittel über die kurzen Sporthosen reichen.

Das ist der Alltag im „Natlab“, dem Schülerlabor des Fachbereiches Biologie, Chemie und Pharmazie der Freien Universität Berlin. Das Labor ist eines von insgesamt elf im Berlin-Brandenburger Netzwerk „Genau“ (Gemeinsam für naturwissenschaftlich-technischen Unterricht) organisierten Schülerlaboren. „Für mich können Schülerlabore Funken zünden“, schwärmt Petra Skiebe Corrette vom Natlab. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Nachwuchswissenschaftler von Lehramtsstudenten angeleitet werden, die so schon praktische Erfahrungen in der Ausbildung sammeln können.

Die Vernetzung ist in Berlin bereits auf einem hohen Niveau. Während eines Rundgangs des Parlamentsausschusses für Bildung, Jugend und Familie bezeichnete Senator Jürgen Zöllner (SPD) die Situation gar als „ideal“. Andere sehen da mehr Handlungsbedarf wie Öczan Mutlu von der Fraktion Bündnis 90/Grüne, der mit einer Anfrage an den Senat auf mehr Unterstützung pocht. „Ich erwarte mehr Sensibilität bei dem Thema, so dass die Schulen verstärkt die Möglichkeiten nutzen können“, sagte er.

Denn in den Laboren kann nur der Anfang gemacht werden. „Hier wird ermöglicht, was man im Unterricht nicht machen kann“, findet Selahattin Akyildiz aus der elften Klasse des Lessing-Gymnasiums. Dennoch kann es auch im Klassenraum spannend weitergehen. Weiterführendes Unterrichtsmaterial wie zum Beispiel Zucker, Essig, Petrischalen, ja sogar Rotkohlsaft gibt es über das europäische Programm „Pollen“. Doch erst einmal brauchen die Schulen Geld für die Anschaffung der etwa 500 Euro teuren Materialkisten, und die Lehrer benötigen die entsprechende Ausbildung. An beidem hapert es. „Wir sollen doch den Kindern was beibringen. Das kann ich aber nicht ohne die Mittel“, beklagt sich Lehrerin Petra Blumenstein. Ihre Hoffnung setzte sie auf den Ausschuss. Der tut sich mit monetärer Hilfe jedoch schwer. Jürgen Zöllner wies halbironisch jede Verantwortung von sich: „Bezirke, Bezirke“, sagte er, als das Thema Geld zur Sprache kam.

An so etwas denken die Schüler nicht. Dafür sind sie zu beschäftigt. Selahattin beobachtet seit zwei Stunden mit einem Klassenkameraden eine Brennstoffzelle, misst Stromwerte und trägt Veränderungen in eine Excel-Tabelle ein. „Hier gibt es nicht nur Theorie“, freut er sich über die praktische Abwechslung. Auch sprachlich profitieren die Schüler. Der Ausländeranteil auf der Carl-Kraemer- Schule ist mit 94 Prozent sehr stark. „Ihre Kompetenz, sich zu äußern, ist hier extrem hoch geworden“, hat Petra Blumenstein festgestellt.

Matthias Jekosch

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