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Heimat im Notquartier. In der Turnhalle in der TU in Berlin lernt ein Flüchtling elektronisch Deutsch.

© Thilo Rückeis

Notquartiere für Flüchtlinge in Berlin: Funktionäre fordern Räumungsplan für Sporthallen

Noch immer wohnen in Berlin Flüchtlinge in Turnhallen, tausende Sportler sind betroffen. Das Volksbegehren für die Freigabe der Hallen ist aber umstritten.

Obwohl inzwischen viel weniger Flüchtlinge in Berlin ankommen als noch vor einigen Wochen, sind noch immer viele Sporthallen als Notunterkünfte belegt. Der Landessportbund Berlin (LSB), Verbände und Vereine haben sich am Dienstag bei einer Pressekonferenz über die Situation des Sports beklagt.

Zur Zeit sind 62 Hallen an 51 Standorten belegt. Die größten dieser Hallen sind das Horst-Korber-Zentrum und die Rudolf-Harbig-Halle, beide in Charlottenburg. Gerade aus Sicht des Spitzensports ist diese Fremdnutzung ein großes Problem. Denn im Korber-Zentrum trainieren zum Beispiel die Bundesliga-Volleyballer der BR Volleys und in der Harbig-Halle Top-Leichtathleten. Sie hat als einzige Halle in Berlin eine Rundbahn. Die Sanierung der belegten Hallen nach einem Auszug dauert Wochen, in vielen Fällen Monate. Allein beim Korber-Zentrum geht man derzeit von einem Sanierungsbedarf von mindestens 4,5 Millionen Euro aus.

Termine unklar

Niemand kann sagen, wann die Flüchtlinge die Turnhallen wieder verlassen sollen. Für das Korber-Zentrum gibt es den angedachten Termin 9. August, allerdings ist dieses Datum nicht verbindlich. Bei anderen Hallen gibt es nicht mal Termine. Es gibt nur die Absicht des Senats, die Hallen so schnell wie möglich wieder für Sportler zugänglich zu machen. Sascha Langenbach, Sprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, sagte am Dienstag: „In den vergangenen Wochen hat sich der Zuzug von Geflüchteten nach Berlin deutlich verringert. Zurzeit kann niemand abschätzen, wie sich diese Zahlen in den kommenden Wochen entwickeln.“ Daher sei es wichtig, eine Reserve von fünf Prozent der Gesamtkapazität vorzuhalten, „um auf wieder steigende Flüchtlingszahlen vorbereitet zu sein“. Ein Konzept zum Leerzug der Turnhallen liege beim Rat der Bürgermeister zur Abstimmung. Erst wenn die ersten Container bezugsfertig seien, könne auch mit dem Leerzug von Turnhallen begonnen werden.

Volksbegehren am Montag gestartet

Eine Initiative von zehn Berliner Sport verbänden und -vereinen will sich mit dieser Ungewissheit nicht abfinden. Sie hat am Montag ein Volksbegehren gestartet. Ziel ist einerseits die schnelle Freigabe der Hallen, andererseits das Verbot, weitere Hallen für die Unterbringung von Flüchtlingen zu nützen. Das Präsidium des Landessportbundes (LSB) hält allerdings nichts von dieser Aktion.

LSB-Präsident Klaus Böger unterstützt zwar „inhaltlich die Ziele der Initiative“, aber ein Volksbegehren lehne sein Präsidium ab. „Erstens benötigt man 25 000 Unterschriften. Zweitens hat das Abgeordnetenhaus dann vier Monate Zeit, bis es darauf reagieren muss. Wir wollen aber, dass die Hallen früher geräumt werden.“ Auch Kaweh Niroomand, Sprecher der Berliner Spitzenvereine, ist skeptisch. „Als Sportler möchte ich zwar, dass alles schnell geht“, sagt der Präsident der BR Volleys. Er unterstütze die Ziele des Volksbegehrens, „aber ob es auch der richtige Handlungsweg ist, weiß ich nicht“.

LSB-Präsident Böger, früherer Bildungssenator und langjähriges SPD-Mitglied, kritisierte Politiker auf Senats- und Bezirksebene. Er habe kein Verständnis dafür, „dass die Gespräche mit dem Land Brandenburg über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Berlin im März begonnen und dann erst im Mai fortgesetzt werden.“ Böger kritisierte auch Steglitz-Zehlendorf, weil der Bezirk sich gegen die Einrichtung von sieben Standorten für Containern für Flüchtlinge wehre.

Betroffene Vereine

Rund 100 Vereine und mehrere tausend Sportler sind von den belegten Sporthallen betroffen. Die Karower Dachse zum Beispiel weichen in das Begegnungszentrum einer Kirche aus oder in eine frühere Drogerie. Die Volleyballer des BSV 92 in Wilmersdorf können seit Monaten gar nicht mehr spielen, weil in ihrer Halle Flüchtlinge leben. „Insgesamt sind rund 1000 Mitglieder des Vereins betroffen, nicht bloß Volleyballer“, sagt Thomas Raapke, der Volleyball-Abteilungsleiter des BSV. „Wenn sich die Situation nicht bald ändert, brechen unsere Volleyballmannschaften auseinander.“ Kirsten Ulrich, die Vorsitzende der Karower Dachse, beklagt, „dass wir 200 Vereinsaustritte haben, weil wir kein vernünftiges Programm anbieten können“.

Vor allem die ungewisse Zukunft verärgert die Verantwortlichen. „Wir brauchen ein verlässliches Szenario, wann das Ganze endet“, sagt Jörg Zwirn, der Geschäftsführer des SV Pfefferwerk, bei dem 1400 Mitglieder durch die belegten Hallen betroffen sind. Und Gerhard Janetzky, der Präsident des Berliner Leichtathletik-Verbands, befürchtet dass Sportler Berlin verlassen. „Wenn sich die Situation nicht ändert, fehlt vielen Athleten die Motivation, hier zu trainieren“, sagt er. Dann überlegten die, nach Hamburg oder Brandenburg zu wechseln. „Da gibt es keine Probleme mehr mit belegten Sporthallen.“

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