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Die Gastgeberin. Mercedes Wild aus Friedenau ist seit vielen Jahren mit Halvorsen befreundet. Bei ihr wird der 90-Jährige auch wieder wohnen.Foto: Adolph-Press/Monet

© adolph press/MONET

Berlin: Für den Schokoladenonkel gibt’s Cevapcici

Luftbrückenpilot Halvorsen ist im Anflug. Im Lieblingsrestaurant wird er erwartet

Wie aus einer guten Tat eine wunderbare Freundschaft wurde, auch das ist die Geschichte des legendären Rosinenbomberpiloten Gail Halvorsen. Aus Anlass des 63. Jahrestages der Luftbrücke kommt der 90-Jährige zu Besuch nach Berlin. Und er wohnt wie immer im Haus von Mercedes Wild, in Friedenau. Sie war sieben Jahre alt, als Halvorsen im Rahmen der Lebensmitteltransporte während der Blockade die heiß ersehnten Süßigkeiten über der Stadt abwarf. Obwohl die Zeiten so ernst waren, weil die Sowjets West-Berlin abgeschnitten hatten von den Versorgungswegen, bastelte er kleine Fallschirme für die Süßigkeiten und wackelte mit den Flügeln, bevor er sie abwarf. Wild schrieb ihm damals, dass er beim Landeanflug ihre Hühner erschrecke, aber dass das in Ordnung sei, wenn er ein paar Süßigkeiten auch dort abwerfen könne. Da er von oben die Hühner nicht ausmachen konnte, schickte er dem Mädchen Schokolade und Kaugummis mit der Post und zeichnete den Brief mit – „Dein Schokoladenonkel“.

Die Dankbarkeit, die Mercedes Wild empfand, hielt über Jahrzehnte. Als der US-Amerikaner Gail Halvorsen 1970 Kommandant des Flughafens Tempelhof wurde, schickte sie ihm eine Einladung zum Essen. Nach zwei Jahren nahm er sie an und konnte endlich den Ort besichtigen, an dem die Hühner sich vor dem Lärm der herannahenden Rosinenbomber fürchteten. Zum Essen gab es Hühnerfrikassee.

Zuerst habe sie ein bisschen Angst gehabt, einen so hohen Offizier zu Gast zu haben, erinnert sich Mercedes Wild heute. Damals stand Berlin ja noch unter dem Alliierten-Status. Aber von Anfang an verstand man sich, inzwischen gehört der legendäre Pilot zur Familie, wohnt bei den Freunden, wenn er in Berlin ist. „Es liegt in seiner Persönlichkeit, er ist ein echter Brückenbauer“, schwärmt Mercedes Wild, für die er fast ein Ersatz für den im Krieg verlorenen Vater wurde. Man verbrachte Weihnachten zusammen, und wenn es eng wurde, dann übernachtete der langjährige Offizier bei den Wilds auch schon mal auf der Luftmatratze. Er sei „mit dem Herzen ein Deutscher“, sagte er einmal.

Auch seinen diesjährigen Aufenthalt hat das kleine Mädchen von damals mitorganisiert, hat einen Raum bestellt im Makarska Grill, seinem Lieblingsrestaurant in der Friedenauer Hauptstraße, wird selber Spargel kochen und ihn begleiten zu Luftbrückenveranstaltungen nach Frankfurt am Main, Wiesbaden und Luxemburg. Die beiden verkörpern heute anhand ihrer Biographien den Prozess, der aus Feinden zunächst Beschützer und dann Freunde machte. Darüber gibt es sogar ein Buch, mit dem Titel „Mercedes und der Schokoladenpilot“.

Auch das Alliiertenmuseum ehrt den Luftbrückenveteran am Mittwoch mit einem Empfang, bei dem unter anderem Direktorin Gundula Bavendamm und der Vorsitzende des Luftbrücke Chapter Frankfurt-Berlin, Celeste Warner Heymann, sprechen werden.

Am Abend richtet Mercedes Wild einen weiteren Empfang aus für Halvorsen. Dafür hat sie das Restaurant ihres Schwiegersohnes gewählt, des Sternekochs Tim Raue. Anfangs sei Halvorsen etwas skeptisch gewesen, was die Verbindung ihrer Tochter mit dem Koch betraf, der als „junger Wilder“ galt und auch so auftrat. Aber das hat sich ganz schnell gegeben, als die beiden sich auf einer menschlichen Ebene kennenlernten. Einer von Mercedes Wilds Lieblingssätzen erklärt vieles. Er lautet: „Das ist einfach Familie“. Elisabeth Binder

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