zum Hauptinhalt
Spaß am Spiel. Doch es gibt auch Schattenseiten im Kinderfußball.

© dpa

Fußball in Berlin und Brandenburg: Missbrauchsfälle im Kinderfußball gehen zurück

Die Präventionsarbeit scheint zu wirken. Missbrauchsfälle im Kinderfußball gehen zurück, doch die Gefahr bleibt bestehen, wie ein Beispiel aus Brandenburg zeigt.

Der Mann fühlte sich sicher. Er war hier doch in der Provinz, weit weg von Berlin, in irgendeinem Dorf in Brandenburg. Er arbeitete bei einem dieser kleinen Vereine, er betreute Kinder und Jugendliche, er bildete sie im Fußball aus. Wusste hier doch keiner, dass er in Berlin wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern verurteilt worden war. Und natürlich wusste auch keiner, dass er, der frühere Jugendleiter, im Bereich des Berliner Fußballverbands (BFV) nicht mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten durfte.

Wie hätten sie es auch erfahren sollen, in diesem kleinen Verein? Sein Führungszeugnis, das er vorlegte? Vorbildlich. Kein Wort über seine Vorstrafe. Dass er das Führungszeugnis gefälscht hatte, wusste natürlich auch keiner im Verein.

Nur durch Zufall wurde er gesperrt

Aber so sicher, wie er sich fühlte, war er dann doch nicht. Ein Zuschauer aus Berlin, der seine Vergangenheit kannte, sah ihn zufällig bei einem Spiel des Dorfvereins. Jetzt ist er auch im Bereich des Brandenburgischen Verbands gesperrt.

Ein Beispiel aus jüngerer Vergangenheit bei einem hochsensiblen Thema: sexueller Missbrauch von Kindern im Sport. In diesem Fall: Fußball. Zwei Jugendtrainer des BFC Dynamo sollen mehrere Kinder genötigt, beleidigt und sexuell missbraucht haben, gerade ist der Fall durch den Tagesspiegel öffentlich geworden, der Fall landet vor Gericht, die Trainer wurden aus dem Verein geworfen.

„Aber insgesamt ist es ruhiger geworden“, sagt Gerd Liesegang, der Vizepräsident des Berliner Fußballverbands, zuständig für das Thema Missbrauch. „In der letzten Saison hat es drei Vorfälle gegeben.“ Einer davon war der Trainer des Dorfvereins. Fall zwei: Ein Ex- Jugendtrainer eines Spandauer Vereins, wegen Missbrauchs vom Verband gesperrt, versucht jetzt, sich in einer Hochhaussiedlung an Freizeitkicker „heranzumachen“ (Liesegang). Aber: „Das LKA hat ihn im Visier.“ Fall drei: ein Mann, Mitte 30, der als Pädophiler eingestuft wird, bietet sich bei Jugendspielen, bei denen kein Unparteiischer da ist, als Schiedsrichter an. Jede Fußball-Abteilung in Berlin hat eine entsprechende Warnung erhalten.

Vereine nehmen Angebote an

„Eltern, Trainer und Funktionäre sind sensibler geworden“, sagt Liesegang. „Ich erhalte viele Anrufe und Informationen.“ Der Verband sorgt mit enormem Einsatz dafür, dass sich die Lage entspannt. Er bietet zum Beispiel seit 2015 das Programm „Kleine Helden“ an, für Kinder zwischen neun und elf Jahren. Das Projekt wird von einem ehemaligen Polizisten geleitet, seine Mitarbeiter zeigen in einem kostenlosen 90-minütigen Training, wie Kinder Lockangebote Pädophiler erkennen und darauf reagieren können. Das Training ist nach Angaben vieler Jugendtrainer, Kinder und Eltern ausgezeichnet. Mehr als 100 Vereine haben dieses Training bereits beim Verband bestellt (www.berliner-fussball.de/soziales/kleinehelden). In dieser Form ist das Projekt in Deutschland einmalig.

Natürlich gibt es auch das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis. Dort ist vermerkt, ob jemand wegen Missbrauchs vorbestraft ist. Viele Vereine lassen es sich von Bewerbern vorlegen. Allerdings, sagt Liesegang, „ist es nicht Pflicht.“

„Nichts ist schlimmer als eine falsche Missbrauchs-Beschuldigung“

Und noch immer verzichten Vereine darauf. Allerdings sind viele Klubs durch einen Fall beim FC Karlshorst aufgewacht. Dort konnte vor einigen Jahren ein Mann fünf Monate eine D-Jugend trainieren, gegen den eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs an einem Siebenjährigen (allerdings nicht im Verein) vorlag. Der Mann hatte nie ein Führungszeugnis vorgelegt, der Verein hatte auch nicht energisch danach gefragt. Zudem wurde er dem Verband nie als Trainer gemeldet.

Der BFV konnte deshalb auch nicht helfen, als die Polizei bei ihm nachfragte. Die hatte einen Hinweis erhalten, dass der Mann als Trainer arbeite. Doch im Computer des Verbands tauchte der Name nicht auf.

Wenn die Polizei beim BFV nach einer Person fragt, informiert der Verband ansonsten den betreffenden Verein. Liegt eine Anzeige vor, wird der Betroffene angehört und muss seine Ämter niederlegen. „Das dient sowohl seinem Schutz als auch dem der Kinder“, sagt Liesegang. „Nichts ist schlimmer als eine falsche Missbrauchs-Beschuldigung.“ Dann werde ein Urteil abgewartet.

Auch der BFC Dynamo hat sofort reagiert. Auf seiner Homepage teilt er mit: „Neue Trainer verpflichten sich, ein erweitertes und sauberes Führungszeugnis vorzulegen.“

Zur Startseite