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Berlin: Gaga statt mega: Der Flash Mob ist da

Erstes blitzartiges Happening am Potsdamer Platz

Der erste tauchte vor einigen Wochen in New York auf, gestern wurde er nun in Berlin gesichtet: der „Flash Mob“. Das ist ein Phänomen, bei dem sich Menschenmengen augenscheinlich spontan und ohne Sinn zu blitzartigen Happenings zusammenfinden. Orte und Termine werden übers Internet verbreitet. Der Berliner PremierenMob bestand aus drei Dutzend Männern und Frauen, die kurz nach 18 Uhr vor dem Springbrunnen im Sony Center am Potsdamer Platz herumturnten – und aus beinahe genau so vielen Medienvertreterleuten. Das Protokoll eines Gaga-Events:

17.45 Uhr. Am Springbrunnen blättern Touristen in ihren Reiseführern. Ihre Sandalen haben sie abgestreift. Kinder versuchen, im Wasser zu planschen. Doch Mütter und Väter haben die stärkeren Arme. Nichts mit Wasser-Happening. Kamarateams bauen ihre Gerätschaften auf, Fotografen stellen sich in Positur. Menschen mit weißen Zettelblöcken tauchen auf, die eifrig die Köpfe drehen. Der Flash Mob? Eher Medien-Mob.

17.5 3 Uhr. Der Flash Mob-Vorturner ist entarnt. Ein Fotograf hat ihn entdeckt. Wie hat er ihn erkannt? Im Internet hatte es gestanden – und im Tagesspiegel: „auf Mann mit regenbogenfarbenem Regenschirm achten“. Der Schirm liegt zusammengeklappt neben einem Herrn mit blonder Igelfrisur und Hornbrille. Er schlürft Eiskaffee. Geht’s jetzt los? Die Traube aus Fotografen, Kameramännern und Kabelträgern bewegt sich auf den Vorturner zu. Rolf Kunz, so heißt er, ist enttäuscht, dass man ihn enttarnt hat. Schließlich ist er Reporter bei Radio Eins, das den ersten Flash Mob veranstalten wollte. Wer die letzten Infos im Internet gelesen hatte, wusste das schon seit Stunden. Der Menschenring um Kunz zieht sich zu. „Was macht denn das Fernehen hier? Sitzt dort vielleicht ein Prominenter?“ fragt eine Rentnerin aus Oldenburg, die gleich wieder zu ihrem Reisebus muss.

18.11 Uhr. Reporter Kunz erklimmt das Podest am Springbrunnen. Plötzlich klappt er den Regenschirm auf. Die Umstehenden erkennen, dass er einem Knopf im Ohr hat – vom Headset seines Handys. Mit dem hält er Verbindung ins Babelsberger Radio Eins-Studio. Der Moderator gibt von dort die Anweisungen. Kunz dreht nun kurz den Schirm, bevor er ihn zur Seite legt. Dann breitet er die Arme aus „Das soll Jesus am Kreuz sein!“, ruft der Reporter. Dann fängt er an, sich zu drehen. Später hüpft er. Die Menschen vor dem Springbrunnen machen mit. Für einige Minuten sieht der Platz aus wie der Turnplatz eines bayerischen Kurhotels. Die Mob-Masse entpuppt sich als recht träge. Kleingeld fällt aus den Taschen, Sonnenbrillen rutschen herunter, doch sie ist da: Die Gruppendynamik.

18.15 Uhr. Schluss mit Hüpfen. Kunz steigt von dem Podest, faltet die Hände und ruft erleichtert: „Danke, dass ihr mich nicht im Stich gelassen habt!“ Berlin hatte seinen ersten Flash Mob. Die Menge zerstreut sich. „Schade, dass es doch nicht ganz so spontan war“, sagt eine Frau im Gehen. Vielleicht wird’s ja morgen was: Treffpunkt ist um 18.01 Uhr vor dem KaDeWe oder um 19.47 Uhr vor der amerikanischen Botschaft. msch

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