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Wie im Film. Dieses hübsche Schild hängt im Graefekiez.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gastronomie in Berlin: Politik will nicht noch mehr Bars im Graefekiez

In Berlins Szenevierteln blüht eine Monokultur aus Restaurants und Kneipen - andere Gewerbe werden aus den Kiezen verdrängt. Im Graefekiez in Kreuzberg soll damit nun Schluss sein.

Das Problem ist vielen Bewohnern der Szenekieze bekannt: Die eingesessene Bäckerei auf der Ecke macht zu, kurz darauf öffnet an gleicher Stelle eine neue Cocktailbar. Schon die dritte, vierte oder fünfte in der Straße. Zwar haben die Anwohner nun eine breite Auswahl beim Feiern – ihre Brötchen aber müssen sie fortan im Backshop eines weit entfernten Einkaufszentrums besorgen.

Natürlich vermieten Hauseigentümer am liebsten an zahlungskräftige Kunden – und Gastronomen zahlen oft höhere Mieten als Buchhandlungen oder Friseurläden. Über einen Antrag auf Nutzungsänderung kann die Gewerbefläche dann umgewidmet werden. Das Angebot an klassischen Gewerben im Viertel dünnt aus, eine Monokultur entsteht. Die Verdrängung von Gewerben, die der allgemeinen Versorgung eines Viertels dienen, wollen einige Bezirke erschweren.

Den Anfang machte Tempelhof-Schöneberg im September vorigen Jahres. Die Stadträtin für Stadtentwicklung, Sibyll Klotz, lehnte die Anträge von zwei Gastronomen ab, die in der Maaßenstraße am Nollendorfplatz Lokale eröffnen wollten. „Wir haben eine Überversorgung mit Gastronomie festgestellt“, begründet der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bezirk, Jörn Oltmann, die Entscheidung. „Wir wollen auch Einrichtungen eine Chance geben, die keine Spitzenmieten zahlen können.“

Friedrichshain-Kreuzberg zieht nun nach. Im Graefekiez zwischen Südstern und Landwehrkanal sollen die Gewerbeflächen nicht mehr für Kneipen genutzt werden. „Das Wohngebiet darf nicht umkippen“, sagt Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). „Ist eine nicht mehr hinzunehmende kritische Häufung von Gastronomie erreicht, müssen wir eingreifen“. So soll für die Anwohner ein vielfältiges Angebot erhalten bleiben. Voraussetzung ist eine Bestandsaufnahme der Gewerbe im Viertel – ergibt diese eine Überversorgung mit Restaurants und Bars, können Anträge auf eine Nutzungsänderung laut Baunutzungsverordnung abgelehnt werden. Franz Schulz will auch den Wrangelkiez prüfen lassen: „Wir schauen uns Teilgebiet für Teilgebiet an, um eine Grundlage für spätere Entscheidungen zu haben.“

Pankows Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) hingegen sieht seinen Bezirk nicht direkt betroffen: „Ich sehe kein grundsätzliches Problem. Es tritt nur punktuell auf. Die Straßen leben ja auch von den Gaststätten, dass sind Magneten für potenzielle Kunden.“ Jenseits der Szenekieze am Helmholtz- und am Kollwitzplatz gebe es in Pankow noch Leerstände, so Köhne: „In manchen Gebieten würde ich mir sogar wünschen, wenn mehr gastronomische Betriebe kämen.“ Thomas Langfelder, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Berlin, findet es zwar falsch, dass die Bezirke in den Markt eingreifen, versteht aber auch die Sorgen der Anwohner: „Nur Kneipen in der Straße – das würde ich auch nicht wollen.“

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