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Gazeteler Rückblick: "Deutschland, schau Dich an“

Laut "Hürriyet" saß der 20-Jährige Inti H. wegen Mißbrauchs einer Minderjährigen über ein Jahr in deutscher Untersuchungshaft, bevor ihm der Prozess gemacht wurde. Jetzt erhebt die Zeitung schwere Vorwürfe.

Die Hürriyet hat Inti H. als Star entdeckt, einen 20-jährigen Mann aus dem deutschen Leer. „Deutschland, schau Dich doch selbst an“, titelte die Hürriyet am Sonnabend. Es war wieder einmal Inti H., den sie da zitierte. Dann führte die Zeitung aus: „Bei der Mahnwache, die die Familie von Marco W. heute in Berlin abhalten will, wird der deutsche Jugendliche Inti seinem Land ’Lass doch die Türkei in Ruhe und schau Dich selbst an’ zurufen“, schrieb die Hürriyet.

Bereits zum zweiten Mal hat es die Familie H. aus Leer auf die Titelseite der türkischen Zeitung geschafft. Den 20-jährigen Inti H. soll das gleiche Schicksal getroffen haben, das nun Marco W. in Antalya durchleidet. Bloß dass Inti H. laut Hürriyet im Gefängnis von Hameln saß. „Ich habe ein Jahr im Gefängnis gesessen, bevor mir der Prozess gemacht wurde“, behauptet Inti H. in der Hürriyet. Seine Familie hält ihn für unschuldig und wollte am Sonnabend ebenfalls am Brandenburger Tor stehen, wo Freunde und Familie von Marco W. gegen die andauernde Inhaftierung des 17-Jährigen demonstrierten.

"DNA-Test in Ordnung - dennoch kein Visum"

Laut Hürriyet wurde Inti H. damals zu vier Jahren Haft verurteilt und erst vor wenigen Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Er saß wegen Missbrauchs einer Minderjährigen. „Marco hat Glück, weil er Leute hat, die ihm helfen und dafür sorgen, dass sein Fall bekannt wird“, klagt Inti H. in der Hürriyet.

Die Hürriyet versucht mit diesem Fall jetzt zu demonstrieren, dass die deutsche Justiz nicht besser als die türkische ist. Für die Behauptung, dass der Jugendliche ein Jahr lang in Untersuchungshaft gesessen hat, bringt die Hürriyet keine Belege. Ob Inti H. am Sonnabend tatsächlich bei der Mahnwache für Marco demonstriert hat, ist offen. Die Hürriyet hat einen ziemlich frühen Redaktionsschluss und konnte vermutlich deshalb gestern noch nicht von den Ereignissen am Brandenburger Tor berichten.

Ebenfalls auf der Titelseite berichtete die Hürriyet über einen anderen Fall, der sich in Berlin ereignet haben soll. „DNA-Test in Ordnung, dennoch kein Visum“, lautete die Schlagzeile. Der Artikel erzählt die Geschichte einer Türkin, die zum zweiten Mal geheiratet hatte und zu ihrem Ehemann nach Berlin gezogen war. Laut Hürriyet darf sie ihren Sohn nicht nachholen, obwohl ein DNA-Test ergeben habe, dass der Junge ihr leibliches Kind sei. Die türkische Familie sei nun durch eine Mauer getrennt worden, die so hoch und undurchlässig sei wie einst die Berliner Mauer, klagt Hürriyet. Die deutschen Behörden werden – wie so oft – allerdings nicht um eine Stellungnahme gebeten.

Suzan Gülfirat

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