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Geballtes Berlinwissen. Stadtbilderklärer Alexander Lehnert auf einer seinen Fahrten mit der „Franziska“ .

© Kai-Uwe Heinrich

Die Hauptstadt als Touristenmetropole: Geballtes Berlin-Wissen auf hoher Spree

Junggesellenabschiede, Großstadtkritiker und komische Fragen: Stadtbilderklärer Alexander Lehnert präsentiert Berlin vom Wasser aus.

Die goldene Spitze an der Kuppel des Berliner Doms glänzt in der Sonne. An der Friedrichsbrücke liegt auf spiegelndem Gewässer „Franziska“ – sie ist eine der beiden Schiffe der Reederei Hadynski, die ihre Passagiere während einstündiger Fahrten auf der Spree herumschippert. Oben auf dem Deck schließt eine Frau mit Batik-Shirt ihre Augen und hält das Gesicht gen Himmel. Das Wetter spielt heute mit.

Aber bei der Fahrt geht es nicht nur um sommerliches Wellenschaukeln: Die Passagiere sollen auch etwas lernen. Mit an Bord ist darum Alexander Lehnert, ein sogenannter „ Stadtbilderklärer“. Der Kulturbegeisterte und Lesebühnenveranstalter will Gästen aus aller Welt die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an der Uferpromenade näherbringen. Nicht auf Tonband – sondern live an Bord. „Ich versuche politische und kulturelle Hintergründe zu erklären“, sagt der 31-Jährige.

Der gebürtige Nordrhein-Westfale lebt seit fast zehn Jahren in der Stadt. Mittlerweile kennt sich Lehnert bestens aus. „Wenn die Gäste historische Anekdoten hören wollen, müssen sie aber einen echten Berliner fragen“, gesteht Lehnert. Während der Fahrt lernt er selbst oft dazu. „Manchmal erzählen Gäste von ihrem Berlinbesuch vor dreißig Jahren.“

Entspannung oder Belehrung - das ist hier die Frage

An diesem Tag ist Ib Jakobsen aus Dänemark an Bord. Er will während der Bootsfahrt in aller Kürze interessante Dinge erfahren. Eine Passagierin, die sich als Bettina vorstellt, legt auf neues Berlin-Wissen weniger Wert: „Ich kann mich schlecht konzentrieren und will lieber abschalten. Wenn die anderen plötzlich lachen, merke ich, dass ich einen Witz verpasst habe.“

Der Stadtbilderklärer stellt sich auf die Erwartungen der Passagiere ein: „Ich wäge ab, ob die Leute eher eine Entspannungsfahrt wollen oder richtig zuhören“, sagt Lehnert. Ob sie seinen Vorträgen konzentriert lauschen, bekomme er relativ schnell mit: Wenn die Hälfte an Bord über seine Witze lacht, ist er zufrieden.

Manche Passagiere wollen sich gar nicht informieren oder amüsieren: „Es gibt auch Leute, die sind schlecht gelaunt und wollen einfach nur gezeigt bekommen, wo ihre Steuergelder hinfließen“, sagt Lehnert. Die am häufigsten gestellte Frage: „Wann wird dieser Flughafen endlich fertig?“ Aber der Stadtbilderklärer bleibt cool. Solche Äußerungen nehme er, wie er sagt, „Tai-Chi-mäßig“ auf.

Bei den Berliner Quadratmeterpreisen fangen Münchner zu lachen an

Unter den Passagieren sind Touristen aus Deutschland und der ganzen Welt. Sie reagieren bisweilen ganz unterschiedlich auf Lehnerts Informationen – etwa, wenn er über die Wohnungsnot und steigende Mieten in der Stadt spricht. „Wenn ich von den Quadratmeterpreisen hier am Ufer erzähle, fangen die Münchener an zu lachen.“

Ähnlich verhielten sich Passagiere aus Dubai, wenn er stolz erkläre, dass der Fernsehturm mit seinen 386 Metern der höchste Turm Berlins sei. „Einmal hat ein Ingenieur erzählt, dass er in Dubai einen Turm baut, der über tausend Meter hoch sein wird“, erzählt der Stadtbilderklärer. Und auch auf Unwissenheit muss er vorbereitet sein. Am meisten habe ihn die Frage eines Mannes aus den USA schockiert, der wissen wollte: „Lebt dieser Hitler-Typ noch?“

Betrunkene kommen nicht an Bord

Mit manchen Passagieren kann es auch strapaziös werden. „Wenn ein Junggesellenabschied ankommt, bin ich schon gespannt, was passiert“, sagt Alexander Lehnert mit einer „Mischung aus Vorurteilen und Erfahrung.“ Matrose Norbert betont: Betrunkene kommen nicht auf die „Franziska“. Er lehnt an der Reling und trägt ein weißes Hemd, auf seinen Armen tatsächlich: Tattoos mit Seefahrermotiven.

Alexander Lehnert sagt, manche Touristen wolle er gar nicht erst auf die Stadt loslassen: Wenn er Insider-Tipps gebe, schaue er sich die Passagiere erstmal genau an. „Einen Touri mit karierter Hose, Hawaii-Hemd und Kamera um den Hals schicke ich lieber nicht nach Wedding oder Neukölln“, sagt er. Er habe als Stadtbilderklärer schließlich auch eine gewisse Verantwortung.

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