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© Ullstein/Caro

Gebetsräume an Schulen: Juristisch eindeutig, politisch umstritten

Grüne und CDU kritisieren den Bildungssenator, weil er keine Beschwerde bei Gericht einlegte. Der Leiter einer Schule in Kreuzberg ist empört und will sich querstellen.

Von Sandra Dassler

„Ich werde das Beten in schulischen Räumen weiterhin nicht erlauben – trotz alledem“, sagt Gerhard Rähme. Der langjährige Leiter der Carl-von-Ossietzky-Oberschule in Kreuzberg findet es nach wie vor „unmöglich“, dass das Berliner Verwaltungsgericht einem muslimischen Schüler des Weddinger Diesterweg-Gymnasiums vorläufig gestattete, in der Schule zu beten (der Tagesspiegel berichtete).

Dass Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) jetzt auf eine Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss verzichtete, hält Rähme für falsch. Man könne nur hoffen, dass das Beispiel nicht Schule mache und viele andere muslimische Jugendliche bewege, ebenfalls beten zu wollen.

„Es kann schon sein, dass es nach den Osterferien verstärkt solche Anträge an den Schulen gibt“, sagt Rose-Marie Seggelke, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft: „Problematisch könnte das werden, wenn rivalisierende Schülergruppen das Thema missbrauchen. Es sind ja nicht alle jungen Leute so tolerant und friedlich wie am Diesterweg-Gymnasium.“

Der Senat dürfe die Lehrer und Schulleiter „jetzt nicht allein im Regen stehen lassen“, fordert die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Mieke Senftleben. „Es muss nun Handreichungen beziehungsweise Entscheidungshilfen der Bildungsverwaltung für den Umgang mit dem Gebetswunsch muslimischer Schüler geben.“ Ansonsten ist der Verzicht auf eine Beschwerde gegen den vorläufigen Gerichtserlass für Mieke Senftleben kein Problem. Im Gegenteil: „Jürgen Zöllner hat das einzig Richtige getan“, sagt sie: „Es handelt sich um einen absoluten Einzelfall. Und wenn es dazu kommt, dass Schüler massenhaft beten wollen, dann ist es eben kein Einzelfall mehr. Und dann werden auch die Gerichte möglicherweise anders entscheiden.“

Diese Ansicht teilt Özcan Mutlu nicht. „Juristisch mag die Begründung, man verzichte auf die Beschwerde, um das Verfahren nicht in die Länge zu ziehen, richtig sein“, sagt der bildungspolitische Sprecher der Berliner Grünen. „Aber politisch ist das ein falsches Signal. Und ich kann nur hoffen, dass der Senat beziehungsweise die Bildungsverwaltung diesmal fähigere Juristen hat als damals beim Streit um den Religionsunterricht der Islamischen Förderation. Dieser aktuelle Fall ist enorm wichtig – für ganz Deutschland.“

In der Bildungsverwaltung selbst versucht man, den Ball so flach wie möglich zu halten. „Dass Herr Zöllner keine Beschwerde eingelegt hat, zeigt nur, wie wichtig ihm das Hauptsacheverfahren ist“, sagte gestern Sprecher Bernhard Kempf. Der Bildungssenator bleibe bei seiner Aussage: „Schule ist und bleibt ein Ort weltanschaulich-religiöser Neutralität – dieses muss sichergestellt sein.“ Kempf sieht auch „keine Veranlassung“ für Empfehlungen an die Schulleiter: „Zudem sind von keiner Schule entsprechende Bitten an uns herangetragen worden, die einen akuten Handlungsbedarf erkennen ließen.“ Es handele sich um einen Einzelfall und nicht um eine allgemeingültige Regelung, die von der Schule die Einrichtung von Gebetsräumen verlange.

Der Berliner Generalsekretär der CDU, Frank Henkel, ist trotzdem irritiert. „Ich verstehe nicht, wieso Herr Zöllner so einknickt“, sagte er gestern dem Tagesspiegel. „Ich fordere ihn auf, sofort Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss einzulegen.“ Genau dies könnte der Bildungssenator aber auch beim besten Willen nicht mehr tun: Die Frist dafür ist abgelaufen.

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