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Schnell beraten. Über die App helfen Hebammen bei der Geburtsvorbereitung oder bei Stillproblemen.

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Start-up "call a midwife": Die digitale Hebamme

Wieder werden mehr Kinder geboren. Die Zahl der Geburtshelfer ist gering. Nun hat eine Hebamme eine digitale Beratung erfunden. Doch es gibt Kritik.

Eine hochschwangere Frau will ihr Kind in einer Klinik entbinden – und wird abgewiesen. Grund: Hebammenmangel. Seit einiger Zeit häufen sich solche Berichte. Sie dürften in Zukunft noch mehr werden. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag verkündet hat, steigt die Zahl der Geburten in Deutschland. Allein in Berlin kamen letztes Jahr 41 000 Kinder zur Welt. Das bedeutet einen Anstieg von 7,8 Prozent im Vergleich zu 2015.

Die Zahl der Hebammen steigt hingegen nicht im gleichen Maße, ganz im Gegenteil. Seit Jahren ist das Problem bekannt, doch erst im September hat Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) einen Runden Tisch ins Leben gerufen und will mit Schwangerschaftsverbänden die Situation verbessern.

Ihr zuvor gekommen ist Sabine Kroh. Sie ist ausgebildete Hebamme und hat im vergangenen Jahr das Start-up „call a midwife“ gegründet. Dort können schwangere Frauen digital eine Schwangerschaftsberatung erhalten – per Chat, Internetvideo oder am Telefon. „Wir wollen den Hebammenberuf ins 21. Jahrhundert holen“, sagt Kroh. Im Internet füllen Frauen dafür einen Anamnesebogen aus und werden anschließend beraten. Allerdings müssen sie dafür zahlen: Das erste Telefonat ist noch kostenfrei, dann müssen die Frauen allerdings ein Abonnement buchen. 49 Euro kostet die einmonatige „Stand-by-Rufbereitschaft“, 139 Euro die dreimonatige.

Dann kann die Schwangere oder die frischgebackene Mutter mit einer der zehn meist mehrsprachigen Hebammen des Start-ups sprechen: über die richtige Geburtstvorbereitung, Probleme beim Stillen, welche Kost das Baby verträgt. Manchmal schicken Mütter auch Fotos von Bauch oder Kind.

Eine Geburt haben Kroh und ihre Kolleginnen noch nicht begleitet. „Unsere Arbeit kann niemals eine richtige Beratung ersetzen“, sagt Sabine Kroh. Einmal habe sie jedoch einen Beratungstermin direkt aus dem Kreißsaal entgegengenommen. Da hatte eine Mutter in Kiew entbunden und bekam in der Ukraine keine Schwangerschaftsberatung.

Das war auch anfangs das Konzept des Unternehmens: Mütter meldeten sich aus anderen Ländern bei Kroh, in denen es keine beziehungsweise nur eine ungenügende Schwangerschaftsberatung gibt. Doch mittlerweile nutzen genauso viele deutsche Mütter das Angebot, sagt Kroh. Sie profitiert damit vom Hebammenmangel in Deutschland.

Susanna Rinne-Wolf ist Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes und sieht die digitale Beratung „sehr kritisch“, wie sie sagt. „Unsere Arbeit ist aufsuchend“, betont Rinne-Wolf. Eine digitale Beratung könne Hausbesuche und das persönliche Gespräch niemals ersetzen. „Ich habe große Sorgen, dass dadurch eine Zweiklassenmedizin befördert wird.“ Nicht jede Frau könne sich das Bezahlangebot leisten, so werde dieses zum Luxus. Auch bezweifle sie, dass dadurch der Hebammenmangel wirklich behoben werden könne. Denn auch die Hebammen bei „call a midwife“ oder anderen Anbietern arbeiten dort nur freiberuflich und führen außerdem noch persönliche Beratungen durch.

Rinne-Wolf sieht hier die Politik gefordert, die mehr Ausbildungsmöglichkeiten und bessere Arbeitsbedingungen schaffen müsse. Schätzungsweise 750 Hebammen arbeiten derzeit in Berlin. Die Beratung ist in der Vergangenheit immer intensiver und aufwendiger geworden, so Rinne-Wolf. Zudem haben die Haftpflichtversicherungen ihre Beiträge vor einigen Jahren drastisch erhöht. Das belastet viele Hebammen zusätzlich.

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