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Wer hält jetzt die Fahne hoch? Nach dem Brandbrief der Landeswahlleiterin ist im Senat hektische Betriebsamkeit ausgebrochen.

© picture alliance / dpa

Gefährdete Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: „Die Wahlen finden statt“

Dass der Termin am 18. September gehalten werden kann, glauben nach ersten Krisengesprächen alle Beteiligten. Bis dahin ist aber noch viel zu tun. Ein Überblick.

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Finden die Wahlen rechtmäßig statt?

In einem waren sich die Landeswahlleiterin und der amtierende Senatssprecher am Montag einig: „Die Wahlen finden am 18. September statt“, sagten Petra Michaelis-Merzbach und Bernhard Schodrowski am Montag. Mit einer Einschränkung: Ob die Wahlen tatsächlich „rechtlich ordnungsgemäß“ durchgeführt werden können, ist noch keineswegs sicher. Das wird sich erst am 7. August entscheiden. An diesem Stichtag sollen die Listen der Wählerverzeichnisse für jedes der 1779 Wahllkokale erstellt werden. Diese Listen werden fortlaufend bis zum 16. September aktualisiert, Probleme macht dabei die Wahl-Software VOIS. Aber noch andere Bereiche des Programms laufen bisher nicht reibungslos.

Wie laufen die Krisengespräche?

Ein erstes Gespräch fand am Montagnachmittag zwischen dem Innen-Staatssekretär Bernd Krömer und der kommissarischen Leiterin des Landesamts für Bürger- und Ordnungsamtsgelegenheiten (Labo), Klaudia Zurth statt. Krömer erklärte danach: nach einem Vier-Augen-Gespräch mit der amtierenden Leiterin des LABO, Klaudia Zurth: „ Die Softwarelösung ist nach Einschätzung aller Beteiligten leistungsfähig.“ Die IT-Ausstattung sei jedoch unterschiedlich. Neben Softwarelösungen werde man daher prüfen, „inwieweit wir denjenigen Bezirken, die in der Vergangenheit nicht in eine zeitgemäße IT investiert haben, für die Durchführung der Wahl leihweise moderne Geräte zur Verfügung stellen können“.

Am heutigen Dienstagmorgen wollen sich Krömer, Michaelis-Merzbach, Vertreter des Software-Herstellers HSH und Zurth zur nächsten Krisenrunde treffen. Krömer vertritt in der Senatssitzung den zuständigen Innensenator Frank Henkel (CDU), der erkrankt ist. In den Zuständigkeitsbereich von Krömer fallen die Wahlen, in den Zuständigkeitsbereich von Staatssekretär Andreas Statzkowski fällt der IT-Bereich. Statzkowski wiederum ist im Urlaub.

Worin liegen technische Probleme?

In allen Wahlämtern der Bezirke ist die Wahlprogramm-Software identisch. Doch die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist unterschiedlich. Das hat mit der Hardware und den Endgeräten zu tun. Berlin hat, anders als viele andere Städte, eine zweigliedrige Verwaltung. Die Bezirke sind also weitgehend selbst verantwortlich für die technische Ausrüstung ihrer Behörden. Letztlich müssen aber alle zwölf Bezirke mit dem gleichen Programm und unter den gleichen Bedingungen arbeiten können. Die Unterschiede zu überwinden und die Abläufe zu synchronisieren, ist also jetzt die große Herausforderung für die Beteiligten. Darauf hat auch die Landeswahlleiterin hingewisen.

Was sagen die Bezirke?

Bei dem letzten Probedurchgang im Mai gab es Probleme in Reinickendorf, Pankow und Treptow-Köpenick. In Reinickendorf konnte das Wählerverzeichnis gar nicht erstellt werden. Dem Vernehmen nach soll dieser Fehler inzwischen behoben sein. In Pankow wiederum waren die Wählerverzeichnisse nicht sauber nach Wahllokalen getrennt. Mitte dagegen hatte beim zweiten Probelauf wegen Personalproblemen gar nicht mehr mitmachen können. Wigbert Siller, Wahlamtsleiter im Bezirk, sieht sich dennoch mit einer Reihe von Hürden konfrontiert. „Das sind nicht nur leichte Performance-Probleme. Wir haben schrecklich lange Reaktionszeiten.“ Manchmal würde es bis zu zehn Sekunden dauern, bis eine Taste reagiert. Das mag in Einzelfällen nicht problematisch sein, in der Masse aber schon. Noch brisanter würden lange Reaktionszeiten unmittelbar vor dem 18. September. Am Freitag vor der Wahl muss das aktuelle Wählerverzeichnis ausgedruckt werden – für den Bezirk Mitte macht das 11 800 Seiten. Hakt das System, wären die Listen nicht rechtzeitig am Samstagmorgen ausgedruckt, um dann in den Wahllokalen verteilt zu werden. Den Druck früher zu beginnen ist nicht möglich, da die Listen möglichst aktuell bleiben müssen.

Was sagt der Softwarehersteller?

Sven Lahn, Unternehmenssprecher der Software-Firma HSH, kann die Aufregung nicht verstehen. Noch vor zwei Wochen habe man sich mit der Landeswahlleiterin getroffen und die Probleme angesprochen. Man sei sich aber einig gewesen, dass noch genug Zeit sei, die Schwachstellen zu beheben. Die Arbeit mit der neuen Software ist für die HSH Routine, in mehreren hessischen Städten und Kommunen hat die Firma das Programm bereits installiert. Berlin sei jedoch noch einmal etwas ganz besonderes, da jeder Bezirk bereits die Größe einer mittelgroßen Stadt hat. Nun gelte es, die Software zwischen allen Bezirken zu synchronisieren. Damit das reibungslos über die Bühne geht, sitzen HSH und Labo nun regelmäßig gemeinsam an einem Tisch, um die Fehler zu beheben.

Was sagt Landeswahlleiterin?

Petra Michaelis-Merzbach möchte „rechtlich einwandfreie Wahlen“ für die 2,8 Millionen Wahlberechtigten in Berlin durchführen. Obwohl sie optimistisch ist, dass die Fehler behoben werden können, ist der Ton ihres Brandbriefes an die Innenverwaltung an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Das System dauere zu lang, um die Wahlscheine auszustellen, die Dokumente seien fehlerhaft, die Wählerverzeichnisse nicht korrekt. Sie erwartet vom Labo einen neuen Zeit- und Maßnahmenplan. Wie auch die Herstellerfirma HSH verlangt Michaelis-Merzbach wöchentliche Treffen und eine enge Abstimmung der Beteiligten. Die Innenverwaltung hat zugesichert, darüber nachzudenken.

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