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Berlin: Gegen SPD und Kapital Bündnis ruft auf zur „Montagsdemonstration“

Ziel des Protestmarschs ist die Parteizentrale

Keiner der Organisatoren der Berliner Montagsdemonstrationen dürfte auch nur ahnen, wie viele am kommenden Montag gegen die Sozialreformen protestieren wollen. Mit ein- oder zweitausend Teilnehmern rechne man, sagt Organisator Werner Halbauer, ein Rentner im politischen „Unruhestand“. Um 18 Uhr will man sich am Alexanderplatz treffen, zur SPD-Zentrale in Kreuzberg marschieren und dabei „Weg mit Hartz IV!“ skandieren. Zahlreiche Gruppen und Initiativen rufen zur Teilnahme auf, darunter mobilisierungsfähige wie Attac. Die Organisatoren hoffen darauf, dass die Ein- oder Zweitausend zu Zehntausenden werden – bei der Gewerkschaftskundgebung im April waren auch viel mehr Leute auf die Straße gegangen als erwartet. Doch bei der Berliner Montagsdemonstration sind die Gewerkschaften nicht dabei. Und das Bündnis, das sich am Dienstagabend zusammengeschlossen hat, ist zerbrechlich.

Fast drei Stunden lang stritten 80 Hartz-Kritiker fast jeder politischen Herkunft im Haus des DGB, der für die Nutzung des Saals 200 Euro verlangte. Sie stritten über alle Aspekte der Demonstration, und dass es heiß herging im ostig wirkenden Sitzungssaal mit seiner braunen Holztäfelung, lag am wenigsten an der Sommerhitze. Es war die Reibungshitze, die die Konkurrenz der linken Bündnisse und Initiativen nun mal erzeugt. Man nannte einander „Kollege“, doch von Solidaritätsgefühlen etwa zwischen Attac und der Initiative Volksbegehren Soziales Berlin oder dem Bündnis gegen Sozial- und Bildungsraub war wenig zu spüren. Die Berliner Linke, scheinbar von SPD und PDS und Grünen organisiert, ist von diesen Initiativen untertunnelt. Weil die sich nur einig sind in der Ablehnung der Parteien, dauert es länger als in anderen ostdeutschen Städten, um den Protest auf die Straße zu bringen.

Schon die Zielplanung machte den Anti-Hartz-Aktivisten Schwierigkeiten. Die SPD-Zentrale? Ein Mann namens Volker „aus antirassistischen Zusammenhängen“ wollte West- und Ostler und Migranten mitnehmen und wünschte einen Sammelplatz in Neukölln. Und was ist mit den Grünen, der CDU, dem Kanzleramt? Warum nicht zur Inkarnation dessen, was Hartz-Gegner wütend macht – zu Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der den Montagsdemonstranten die moralische Legitimation bestritten hat? Nach einer Stunde Debatte war man wieder bei der SPD-Zentrale. Die Demonstration am kommenden Montag soll ja die Erste von vielen werden – bei weiteren Kundgebungen könnte man, so eine Frau, die „Auflösung von CDU und FDP“ zum Motto machen.

Schnell wurde man sich immerhin über Organisation und Technik einig. Ein Mann namens Dieter, der aussieht wie der älteste Sohn von Lothar Bisky oder der jung gebliebene Vater von Heinz Hoenig, zog das Thema an sich: Schließlich organisiere man unter dem Motto „Montagsdemo gegen die Agenda 2010“ seit ein paar Montagen kleine, bislang nicht aufgefallene Kundgebungen auf dem Alex, habe die Technik, die Leute. Dieter bekannte sich freimütig zur Marxistisch-Leninistischen Partei und zeigt den Willen, sich nicht von den jungen Bündnisleuten und Initiativ-Aktivisten abdrängen zu lassen. Mit der Drohung, man habe die Montagsdemo längst angemeldet und könne auch eigene Öffentlichkeitsarbeit machen, erreichen Dieter und Genossen von „Bündnis Montagsdemo“, dass sie am Mittwoch offiziell dabei waren, als der Aufruf zur Demonstration im Haus der Demokratie von einem Attac-Vertreter vorgestellt wurde. Damit ist der Überbau gezimmert: Am kommenden Montag geht es – mit Dieters Worten – auch gegen das „internationale Finanzkapital“.

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