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Mechanik, die begeistert. Bernd Moser verkauft und repariert seit 1958 in Kreuzberg Schreibmaschinen. Sein Favorit ist diese „Continental Reisekoffermaschine“.

© Kai-Uwe Heinrich

Schreibmaschinenhändler in Berlin: Geheimtipps für den NSA-Ausschuss

Der NSA-Ausschuss überlegt, nur noch Schreibmaschinen zu benutzen. Vielleicht könne man sich mit deren Hilfe vor weiteren US-Spähattacken schützen. In Berlin kann man noch leicht eine Passende finden.

Jetzt eilt er zur Vitrine und holt eine seiner „absoluten Lieblinge“ heraus. Setzt sie auf den Verkaufstresen, gerät ins Schwärmen. Es ist diejenige mit den rundlichen Formen und dem massivem Metallgehäuse, tiefschwarz, auf Hochglanz poliert. Eine Reiseschreibmaschine aus den frühen Fünfzigern, „Rheinmetall, Borsig AG“ steht in goldenen Lettern auf ihrem filzgefütterten Koffer. „Das war noch eine hervorragende Arbeit, weiche Walze, flüssiger Typenanschlag, tolle Qualität“, sagt Mario Maschetzke (51) im Büromaschinen-Laden „Zielinski“ an der Charlottenburger Guerickestraße 14. Maschetzke ist sich ganz sicher. Die „Rheinmetall“ wird bei ihm kein Ladenhüter. Schließlich erlebt er seit einigen Jahren eine „Renaissance der Schreibmaschinen“.

Als Trendsetter hat sich, wie berichtet, jetzt auch der NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag hervorgetan. Dessen Mitglieder liebäugeln neuerdings mit der klassischen mechanischen Schreibmaschine. Vielleicht, so die Überlegung, könne man sich mit deren Hilfe vor weiteren US-Spähattacken schützen. „Na klar, so eine Schreibmaschine ist absturz-, abhör- und hackersicher, außerdem virenresistent, also unangreifbar und unabhängig, kurz, äußerst treu“, sagt Büromaschinenmechaniker Bernd Moser, dessen Geschäft an der Gneisenaustraße 91 in Kreuzberg gleichfalls zu den ganz wenigen Orten in Berlin gehört, wo man die gute alte „Tippe“, wie sie der 71-Jährige nennt, noch erwerben oder reparieren lassen kann. Und Zubehör erhält – vor allem: die Seiden- oder Nylonfarbbänder.

Fachleute: lieber keine neuen Modelle

Allerdings gehen bei Zielinski in Charlottenburg, bei Bernd Moser in Kreuzberg oder „Voigtländer Bürotechnik“ an der Steglitzer Florastraße 19, der Nummer drei unter den Berliner Schreibmaschinen-Händlern, eher selten fabrikneue Maschinen weg. Es gibt zwar noch zwei Hersteller, das sind die klassischen Firmen der Branche „Triumph Adler“ und „Olympia“. Aber fragt man die Fachleute, so raten sie von den neuen Modellen ab. „Schlecht verarbeitet, reparaturanfällig“, heißt es. Stattdessen empfehlen sie die Typen aus den fünfziger bis frühen neunziger Jahren, zwar gebraucht, aber in ihren Läden tipptopp aufgearbeitet. Komplett auseinandergenommen, in Reinigungsbenzin gebadet, verhärtete Walzen erneuert, jedes Schräubchen überprüft, die Tastatur gewienert. „Die laufen wieder wie geschmiert“, freut sich Bernd Moser in seinem Laden „Arndt Büromaschinen“.

Menschen und Maschinen. Karin Zielinski und Mario Maschetzke in ihrem Charlottenburger Laden.
Menschen und Maschinen. Karin Zielinski und Mario Maschetzke in ihrem Charlottenburger Laden.

© Mike Wolff

Vor 56 Jahren hat er dort seine Lehre begonnen, hat das Geschäft 1992 übernommen und ist der althergebrachten Bürotechnik treu geblieben. „Na klar“, sagt er, „weil das ja heute kaum einer mehr kann“. In den Jahrzehnten hat er ein riesiges Ersatzteillager angesammelt, ein Schatz für Reparaturen. Manchmal findet er frühmorgens eine kaputte, alte Maschine vor der Ladentür. Die hat dann jemand dort zum Ausschlachten abgestellt.

„Die Schreibmaschinen sind für Moser „ein Zubrot“, in der Hauptsache verkauft er – wie auch die anderen genannten Läden – moderne Drucker oder Kopierer. Daneben wirken die überholten Maschinen in den Regalen und Vitrinen wie aus der Zeit gefallen. Da steht die „Erika“ aus DDR-Produktion neben ihrem West-Pendant – der „Monika“ von „Olympia“. Da gibt es die „Continental“-Reisemaschine mit hochglänzend verchromtem Zeilenschalthebel; die legendäre „Olivetti Lettera 22“-Maschine, preisgekrönt für ihr Design. Und auch die späteren Elektrotypen bis zur letzten Generation mit Display aus den Neunzigern. Was diese Maschinen kosten? Etwa 120 bis 2000 Euro.

Verdrängt vom Computer

„1994/95 ging es plötzlich steil bergab mit der Schreibmaschine“, erinnert sich Mario Maschetzke in Charlottenburg. Verdrängt vom Computer. Doch etwa seit 2004 kehre die „Tippe“ zurück. Wer schreibt wieder ab und zu oder sogar ständig auf ihr? Maschetzke nennt drei Gruppen. Zum einen ältere Nostalgiker. „Die haben einst ihre Diplomarbeit getippt und sehnen sich nun wieder nach der guten alten ,Adler’, mit der sie das geschafft haben.“ Außerdem junge Leute mit Liebe zur alten Mechanik. „Reiseschreibmaschine unter den Arm geklemmt und ab in den Park zum Briefeschreiben.“ Dann kommen noch etliche Senioren zu ihm. Denen PCs suspekt sind. Und Standesbeamte. Familienbücher werden bis heute meist per Schreibmaschine ausgefüllt.

Und was wäre für den NSA-Ausschuss die beste Type? Maschetzke überlegt nur kurz. „Wohl die gewichtigen Maschinen Adler Universal oder Triumph Matura. Mit denen konnten Chefsekretärinnen zehn Durchschläge auf einmal tippen.“

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