zum Hauptinhalt

Berlin: Geheimwissen und Wurzelrassen

Eine Tagung an der Humboldt-Uni übt Kritik an den Lehren Rudolf Steiners

Über Tote redet man nicht schlecht, grundsätzlich. Aber wenn Jan Badewien auf Rudolf Steiner und dessen anthroposophische Lehren zu sprechen kommt, will ihm partout nichts Positives einfallen. So auch am gestrigen Freitag: Da ist der Direktor der Evangelischen Akademie Baden an der Humboldt-Uni zu Gast. Er zählt auf, warum Steiners Weltanschauung keine christliche sei: Im Christentum gehe es „um Erlösung im Hier und Jetzt“, in der Anthroposophie „um Reinkarnation und Karma“. Zugegeben, auch Steiner habe an Jesus Christus geglaubt. Aber gleich an zwei verschiedene: Einen mit der Aura des Buddhas, einen mit dem reinkarnierten Geist Zarathustras. Badewiens Vortrag ist Teil der öffentlichen Tagung „Athroposophie – kritische Reflexionen“. Rudolf Steiner ist zwar schon seit 1925 tot, aber seine Lehren sind beliebt. Genau wie die Waldorfschulen, die anthroposophische Ansätze verwenden. Allein in Berlin gibt es zehn. Jan Badewien glaubt, dass die meisten Eltern über Steiners Theorien nicht Bescheid wüssten, wenn sie ihre Kinder auf eine der Schulen schickten. Zwar sind dessen Reden und Schriften in mehr als 350 Büchern nachzulesen. Aber die seien „nicht gerade leserfreundlich geschrieben“. Deshalb entgehe Eltern vieles, über das „Außenstehende nur den Kopf schütteln“ könnten. Zum Beispiel die Sache mit den sieben Wurzelrassen: In sieben Stufen und vielen Unterstufen entwickle sich die Menschheit im Laufe der Evolution von niederen zu geistigen Wesen. Derzeit sei die germanisch-angelsächsische Unterstufe erreicht – und alle anderen Völker seien deshalb weniger wichtig. Anthroposophen wehren sich gegen diese Schlussfolgerung, Badewien ist sich sicher: „Es gibt eine Wertung zwischen den Völkern.“ Steiners ganzes Wissen stammt – der Lehre nach – übrigens aus der so genannten Akasha-Chronik, einer Art Weltgedächtnis. „Und kein anderer hat darauf Zugriff“, sagt Badewien. So könne auch niemand widersprechen. Nach Badewien ist Hartmut Zinser dran. Der FU-Professor legt Folien mit Steiner-Zitaten auf den Projektor. Da ist viel von Übersinnlichem die Rede. „Ohne diese Folien glaubt mir doch keiner, dass Steiner so etwas geschrieben hat.“

Ursprünglich sollte die Tagung schon im Februar stattfinden, organisiert von dem Sektenbeauftragten der Evangelischen Landeskirche. Ein Vorbericht des Tagesspiegels löste damals eine öffentliche Debatte aus, die Veranstaltung wurde abgesagt.

Im Hörsaal der Humboldt-Uni gibt es keinen Streit. Die 60 Zuhörer sind derselben Meinung wie die Referenten. Wahrscheinlich ginge es hitziger zur Sache, wenn auch Vertreter der Waldorfschulen im Saal wären. Die sehen nämlich vieles ganz anders: Thomas Krauch, Geschäftsführer des Bundes der Freien Waldorfschulen, betont, dass Anthroposophie in den Schulen kein offizieller Lehrinhalt sei. Wurzelrassen und Akasha-Chronik kämen im Unterricht überhaupt nicht vor. „Wobei ich nicht ausschließen kann, dass es bei deutschlandweit 8000 Lehrern Einzelfälle gibt.“ sle

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false