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Berlin: Gekaufte Väter

Ausländer ohne Bleiberecht bezahlen Sozialhilfeempfänger, um mit ihren Kindern bleiben zu können. Das soll sich ändern

Zwei Menschen, zwei Wünsche, eine Lösung – so könnte man es nennen. Mensch Nummer eins, eine Ausländerin mit Kind, will in Deutschland bleiben. Mensch Nummer zwei, ein armer Schlucker, braucht dringend Geld. Die Lösung: Der Mann erkennt das Kind der Frau als sein eigenes an; dafür zahlt sie ihm bis zu 10 000 Euro. Weil das Kind jetzt einen deutschen Vater hat, darf es in Deutschland bleiben, ebenso seine Mutter und weitere Angehörige ersten Grades wie Geschwister und Großeltern. Weitere Folgen: Aus dem ungesicherten Status als Asylbewerber oder Flüchtling wird eine sichere Aufenthaltsgenehmigung; statt der mageren Sozialleistungen für Asylbewerber zahlt der Staat die normale Sozialhilfe. Ergebnis: Alle sind glücklich, nur der Steuerzahler nicht. Denn er hat die Kosten dafür zu tragen.

Etwa 60 Fälle dieser Art gab es im Jahr 2003 in Berlin, schätzt die Innenverwaltung: „Wir sehen hier dringenden Handlungsbedarf“, sagte Sprecherin Henrike Morgenstern. Doch zu handeln ist gar nicht so einfach, denn das oben beschriebene Vorgehen ist völlig legal und nicht etwa Betrug. Mit den vorhandenen Instrumenten lässt sich also nichts ausrichten; nur eine Gesetzesänderung auf Bundesebene kann die Lücke schließen. Eine entsprechende Initiative der Länder soll es bald geben – jedenfalls wird das Thema bei der nächsten Innenministerkonferenz Ende März behandelt.

Die bisherige Rechtslage regelt der Paragraph 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach ist Vater eines Kindes auch „der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat“. Ob er wirklich der Vater ist, spielt dabei keine Rolle. Als der Gesetzgeber diese Regelung traf, war er froh um jede unschöne Debatte zwischen Männern und Frauen, die so vermieden wurde; möglichen Missbrauch bedachte er nicht. Denn wer eine Vaterschaft anerkennt, ist Unterhaltsansprüchen ausgesetzt, und wer will schon für ein Kind aufkommen, das er gar nicht kennt? „Das machen nur Personen, die aufgrund ihrer Finanzlage nicht befürchten müssen, in Anspruch genommen zu werden“, sagt Morgenstern.

„Es gibt mittlerweile sogar einen Tarif dafür, habe ich gehört“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Roland Gewalt. „Er liegt bei rund 5000 Euro.“ Vor zwei Jahren hatte Gewalt im Abgeordnetenhaus eine kleine Anfrage zum Thema gestellt, damals war er noch Landespolitiker. Aus der Antwort ging hervor, dass binnen 15 Monaten 60 Fälle aus vier Standesämtern bekannt waren; die übrigen Standesämter hatten auf solche Fälle nicht geachtet. Das zeigt eine weitere Schwierigkeit: Nur Indizien können die Behörde auf solche Fälle aufmerksam machen, zum Beispiel, dass die Mutter des Kindes ausreisepflichtig ist. Der leibliche Vater spielt bei dem Ganzen praktisch keine Rolle; typischerweise sind die Frauen ledig und die Kinder unehelich geboren. Die Frau entkommt durch den deutschen Vater einer Abschiebung. Einen Vaterschaftstest darf die Behörde von dem willigen Mann nicht verlangen. „Das müsste bei einer Gesetzänderung berücksichtigt werden“, fordert Gewalt. „Es wäre gut, wenn die Behörden in Zweifelsfällen einen Vaterschaftsnachweis verlangen könnten.“ Bisher sind es vor allem Bosnierinnen, die sich auf diesem Wege ein Aufenthaltsrecht verschaffen. Nur eines darf dem deutschen Schein-Vater nicht passieren: dass er plötzlich zu Wohlstand kommt. Denn dann muss er für sein Kind zahlen.

Fatina Keilani

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