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Berlin: Gelungene Verwüstung

Erneut wurde in Oranienburg eine Bombe gesprengt. Es gab Risse im Putz. Nun wird die Statik geprüft.

Oranienburg - Es riecht nach nassem Stroh. Überall liegt es, auf der Straße, sogar auf den Dächern der Oranienburger Straße „Am Lindenring“. Zwischen den Hausnummern 2 und 3 türmt sich ein Hügel auf, aus Strohballen, Sand und Stahlfragmenten. Hier lag die Bombe. Ihre Wucht war so groß, dass sie einen Träger ihres stählernen Korsetts, das um sie herum errichtet wurde, einfach umbog, ihn mehrere Meter weit wegfliegen ließ.

Der amerikanische Fünf-Zentner-Blindgänger war am Montag freigelegt worden, mitten im Wohngebiet. Am Dienstag war klar, dass die Bombe nicht entschärft werden kann. Im Radius von 100 Metern wurde die Gefahrenzone daraufhin sofort evakuiert, 230 Anwohner mussten ihre Wohnungen verlassen.

Am Mittwoch galt dann vor der Sprengung ab 8 Uhr ein Sperrkreis von 1000 Metern, Geschäfte blieben geschlossen, es verkehrten keine Züge mehr in Oranienburg. Die Einsatzkräfte gingen von Haus zu Haus und kontrollierten, ob sich alle Menschen entfernt hatten. Von Polizei und Feuerwehr waren 150 Einsatzkräfte im Dienst, außerdem ein privater Security-Service, der den Sperrkreis absicherte. Dieser sollte bis um 11 Uhr geräumt sein, doch die Krankentransporte aus der Zone heraus dauerten länger als geplant. Erst um 12.38 Uhr konnten die Sprengmeister beginnen.

Es ist 12.58 Uhr am Mittwoch, als ein kurzer, dumpfer Knall zu hören ist. Die Bombe ist gesprengt. Ohne Erdfontäne, zu sehen ist vom Rande des Sperrkreises nichts. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Brandenburg hat den schwierigsten Part seines Einsatzes damit erledigt. Es ist die dritte Bombe, die dieses Jahr in Oranienburg gefunden wurde. „Seit 1990 wurden 176 Weltkriegsbomben in der Stadt entdeckt und beseitigt“, sagt Björn Lüttmann, Referent des Bürgermeisters. Allein die Suche nach ihnen kostet die Stadt Oranienburg und das Land Brandenburg zusammen jährlich rund fünf Millionen Euro. Auch die am Mittwoch gesprengte Bombe wurde bei der systematischen Fahndung gefunden, sagt Lüttmann.

Irmgard und Walter Rosenberg wohnen im Lindenring Nummer 3, direkt neben dem Fundort. „Ich habe die Bombe immer gegossen“, sagt die 79-jährige Irmgard Rosenberg. Ihre Blumenbeete liegen direkt nebenan. Als sie erfuhr, dass sich neben ihrer Wohnung ein Blindgänger befindet, war „der Schreck ganz schön groß“. Bereits am Montag mussten sie ins Hotel umziehen. „Hitler begleitet mich mein Leben lang, jetzt grüßt er noch mit einer Bombe“, sagt der 83-jährige Walter Rosenberg. Vor der Sprengung hatte er Angst, dass ihre Wohnung am Nachmittag zerstört sein könnte. Wie berichtet war bei der letzten Bombensprengung in Oranienburg am 21. November ein Wohngebäude zusammengebrochen.

Um 15.09 Uhr erklingen jedoch die Sirenen. Der Sperrkreis ist aufgehoben. Die Häuser stehen noch, aber Risse sind im Putz zu sehen. Statiker prüfen nun, ob die Anwohner zurückdürfen. Für eine Frau ist der Anblick ihrer verwüsteten Straße zu viel. Sie bricht vor ihrem Hauseingang zusammen. Veronique Rüssau

Veronique Rüssau

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