zum Hauptinhalt
Ein Grund zum Feiern. Asli Peker und Helfer Daniel Schmid beim Sommerfest für Flüchtlingsfamilien und Anwohner.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gemeinsame Sache in Marzahn-Hellersdorf 2015: Marzahn: Gemeinsam ist es einfach besser

Im Stadtteilzentrum kommen Flüchtlinge und Marzahner zusammen. Das Engagement von Ehrenamtlichen ist groß.

Während von drinnen Schlagermusik schallt, stehen vor dem Stadtteilzentrum Marzahn-Mitte ein Dutzend Kinder um einen Tisch. Sie machen Seifenblasen, schauen Bilderbücher an und machen sich bunte Tattoos mit Hennafarben. „Schau mal, hier“, sagt ein Junge in akzentfreiem Deutsch.

Die Kinder aus der Flüchtlingsunterkunft im Blumberger Damm sind vor einer Woche zusammen mit ihren Familien zum Sommerfest ins Stadtteilzentrum gekommen. Drinnen sitzen Seniorinnen und Senioren an den gedeckten Tischen, zusammen mit vielen Flüchtlingsfamilien. „Als ein Kind auf der Bühne ein arabisches Lied sang, waren die Senioren begeistert“, sagt Asli Peker Gaubert vom Stadtteilzentrum, dessen Träger der Verband „Volkssolidarität“ ist.

Ständige Provokationen

Im Containerdorf im Blumberger Damm leben seit Mitte Juli 400 Menschen. Schon seit Oktober 2014 engagiert sich das Stadtteilzentrum Marzahn-Mitte dafür, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und mit Anwohnern in Dialog über die Flüchtlingsunterkunft zu treten. Bei regelmäßigen „Anwohnerdialogen“ sprachen Nachbarn, die Sozialstadträtin Dagmar Pohle, die Polizei und der Heimbetreiber miteinander. „Am Anfang herrschte eine aufgewühlte, angespannte Stimmung“, sagt Peker Gaubert. Doch der Dialog mit den Anwohnern lohnte sich. „Mit jedem Treffen wurde der Austausch besser“, sagt Peker Gaubert.

Heute ist die Situation noch immer gespalten. Noch vor wenigen Tagen gab es einen Brandanschlag auf die Unterkunft, die Bewohner berichten außerdem von ständigen Provokationen außerhalb des Heims. Zugleich aber gibt es eine große Welle der Unterstützung in Marzahn: Jeden Tag rufen im Stadtteilzentrum Menschen an, die sich für die Flüchtlinge engagieren wollen.

Hochbeete aus alten Paletten anlegen

160 Ehrenamtliche haben sich gemeldet, um zu helfen. Mittlerweile haben sie sich in sieben Arbeitsgruppen organisiert: So gibt es AGs mit Freiwilligen, die Deutschkurse leiten, die Flüchtlinge zu Behörden und Ausflügen begleiten oder Sportangebote für sie organisieren. Dazu kommen die AG „Kleiderkammer“, die den Bedarf an Sachspenden regelt, die AG „Kinder und Jugendliche“, die vor allem Ausflüge organisiert – wie etwa vor Kurzem in die „Gärten der Welt“ –, sowie eine AG, die Praktika und Arbeitsstellen vermitteln will. So könnten junge Flüchtlinge demnächst auch im Stadtteilzentrum als Hospitanten tätig sein.

Die AG „Garten“ aus Flüchtlingen und Ehrenamtlichen möchte außerdem das Containerdorf begrünen und Hochbeete aus alten Paletten anlegen. „Die Bewohner können alles anpflanzen, was sie sich wünschen“, sagt Martina Polizzi. Außerdem wollen sie Himbeer- und Brombeersträuche pflanzen.

Schneller Kontakt mit den Flüchtlingen

Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ (BfDT) hatte außerdem die Idee, aus Blumenzwiebeln den Schriftzug „Refugees Welcome“ zu gestalten. Das will die AG dann mit dem Bündnis gemeinsam umsetzen, wenn die passende Freifläche gefunden ist.

Eine Flüchtlingsberatung sowie eine psychologische Beratung für traumatisierte Flüchtlinge bietet das Stadtteilzentrum schon seit 2013 an. Seitdem können Flüchtlinge aus den vier Marzahner Unterkünften jede Woche Fragen etwa zu Behördengängen stellen. Einer der Berater, Khaled Davrisch, kam selbst 2001 als Flüchtling aus Syrien.

Solches Engagement wünscht sich die 39-jährige Peker Gaubert. Sie ist seit zehn Jahren im Stadtteilzentrum für den Migrationssozialdienst zuständig und will den Flüchtlingen ermöglichen, sich selbst zu engagieren. Mit dem Sommerfest machte sie einen Anfang: Einige junge Männer aus Syrien fanden sich gleich bereit, in der Küche das Essen für das Fest vorzubereiten und zu verteilen.

„Sie waren sofort eingebunden.“ Denn gerade die jungen Ehrenamtlichen kommen schnell in Kontakt mit den Flüchtlingen. Um daran anzuknüpfen, planen Ehrenamtliche und junge Flüchtlinge am Mittwoch ein Essen im Haus, es gibt Sushi. Die gemeinsamen Unternehmungen sollen es den Flüchtlingen auch erleichtern, sich mit ihrem Stadtteil zu identifizieren.

"Mahnwache war sehr peinlich"

Dass es neben der Marzahner Willkommenskultur auch Ablehnung gibt, erleben die Flüchtlinge immer wieder. Nach dem Sommerfest im Stadtteilzentrum trafen sich rechte Demonstranten zu einer „Mahnwache“ am S-Bahnhof Marzahn. Peker Gaubert und ihre Kollegen gingen zur Gegendemo.

Einige junge Flüchtlinge, die das Sommerfest besucht hatten, wollten sich unbedingt anschließen und sich ein Bild machen. „Uns war diese Mahnwache sehr peinlich. Wir haben versucht, den Flüchtlingen zu erklären, was hier passiert“, sagt Peker Gaubert. „Letztlich aber war es gut, dass die jungen Männer sehen konnten, dass zur Gegendemo sehr viel mehr Menschen kamen als zur rechten Versammlung.“

Am kommenden Sonnabend feiern Ehrenamtliche und Flüchtlinge aus dem Blumberger Damm im Tierpark das „Große Fest der Volkssolidarität“, der Verband wird 70 Jahre alt. Auch der Regierende Bürgermeister wird zum Geburtstag gratulieren. Die AG „Begleitung“ will zum Fest rund hundert Bewohner vom Blumberger Damm abholen und mit ihnen zum Tierpark fahren. Dort wartet dann unter anderem Livemusik von den „Prinzen“ und der Kinderzirkus Cabuwazi auf die Flüchtlingsfamilien.

Zum Aktionstag am 18. September macht Asli Peker Gaubert mit Flüchtlingen und Ehrenamtlichen ein großes Willkommensessen im Stadtteilzentrum. Helferinnen und Helfer sind herzlich eingeladen, ab 12 Uhr bei den Vorbereitungen mitzumachen und natürlich mitzuessen. Anmeldungen bitte bis zum 10. September an asli.peker@volkssolidaritaet.de

Jana Scholz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false