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Da wächst was. Daniela Meyer mit Flüchtlingskindern bei der Arbeit im neu angelegten Garten des Erstaufnahmeheims.

© Thilo Rückeis

Gemeinsame Sache in Spandau 2015: Spandau: Willkommen im Dorf

Die Flüchtlingsinitiative Gatow tut vieles dafür, dass hier Erwachsene und Kinder nach ihrer Flucht zur Ruhe kommen können.

Jasmin Siebens waren im November 2014 zuerst die fremdenfeindlichen Plakate der NPD aufgefallen, die in Gatow hingen. Nur wenige Tage später fuhr sie mit ihrer Kollegin Christine Arlt zu ihrem ersten Besuch in das von der Arbeiterwohlfahrt betreute „Refugium an der Havel“ am Waldschluchtpfad, um zu fragen, wie man helfen könne.

Weihnachten stand vor der Tür, was lag näher, als eine entsprechende Feier zu organisieren. Doch wo bekommt man Geschenke für gut 200 Kinder her? Dann aber verbreitete sich die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ wie der Wind im Spandauer Süden, am Ende waren es 550 Geschenkpäckchen.

Und das war erst der Anfang. Jasmin Siebens organisierte in der Gatower Waldorfschule eine Zirkusvorstellung für Schul- und Flüchtlingskinder sowie für 50 Kinder und 30 Erwachsene aus dem Heim den Besuch eines Konzerts in der Philharmonie. Die Kladowerin klopfte bei Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) an die Tür, um Missstände zu bemängeln, plante ein Frauencafé und eine Kleinkindergruppe.

Beerensträucher sollen gepflanzt werden

Längst hat ihr Beispiel Schule gemacht. Täglich geben Bürger Kleidungsstücke für die Asylbewerber ab, berichtet der Leiter des Refugiums, Piotr Skrzedziejewski. Stets gefragt sind auch Spielzeug, Schulranzen und Fahrräder. Nahe dem Havelufer hat Daniela Mayer zusammen mit Flüchtlingen einen Garten angelegt, in dem Tomaten, Zucchini, Kürbis, Salat und Kohlrabi angebaut werden.

Von benachbarten Bauern bekommen die Asylbewerber Jungpflanzen für den Garten und Gemüse zum Verzehr. An einer Steinterrasse sollen Beerensträucher gepflanzt werden. Halbierte Baumstämme dienen als Sitzbänke, auf denen man sich zum Plausch bei einem Kaffee oder Tee trifft. Im Winter will Daniela Mayer für die Flüchtlingskinder, aber auch für die Erwachsenen, eine Holz-, Ton- und Malwerkstatt organisieren.

Freiräume für Außenaktivitäten

Multikultureller geht es kaum: Die 550 Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung kommen aus rund 30 verschiedenen Ländern, mehrheitlich aus Syrien und dem Kosovo, aber auch aus Afghanistan, dem Irak, Somalia und dem Sudan. Ihre Betreuer haben 20 unterschiedliche Nationalitäten.

In den zwei- bis dreigeschossigen Gebäuden war zuletzt ein Seniorenpflegezentrum untergebracht. Die Räume sind barrierefrei, es gibt einen Kindergarten, ein Internetcafé und Deutschkurse. Das waldreiche Gelände bietet viele Freiräume für Außenaktivitäten.

An der Wand des großen Speisesaals hängt ein riesiges Bild, das eine aus der Mongolei stammende Küchenhilfe gemalt hat. Es zeigt den Weg der Flüchtlinge nach Berlin. Im Beratungszimmer füllt Masri aus Syrien gerade mit seinem Betreuer Riad Hweide Formulare aus. Die Polizei in Ungarn habe ihn geschlagen, dabei habe er sich den Fuß gebrochen, lässt der Mann, der am Stock humpelt, übersetzen und würdigt wortreich die Hilfe, die ihm in Gatow zuteil wird.

Beim Fußballplatz fehlen die Tore

Obwohl man um gute Nachbarschaft bemüht ist, stößt das Refugium bei einigen Anwohnern nach wie vor auf Ablehnung, bedauert Jasmin Siebens. „Da geht schon ein Riss durch die Gesellschaft“, hat sie festgestellt. Noch ist die Zukunft des Standortes ungewiss. Der Pachtvertrag läuft zum Jahresende aus. Dabei herrschen hier ideale Bedingungen, um die Neuankömmlinge nach oftmals traumatischen Fluchterlebnissen zur Ruhe kommen zu lassen.

Rund zehn Mitglieder zählt die von Jasmin Siebens gegründete Bürgerinitiative. Das kann nur der Anfang sein, meint die Mutter zweier Kinder, die für ihre Aktivitäten im März als Spandauerin des Monats geehrt wurde. „Wir müssen den Dreh kriegen und zu einem richtigen Willkommensbündnis werden.“ Die Gruppe freut sich über jede Unterstützung.

Überraschend kam während des Besuchs vom Tagesspiegel auch der Wahlkreisabgeordnete Peter Trapp (CDU) vorbei, um die Einladung eines Vereins zu einem Segeltörn auf der Havel zu überbringen. Er vermittelte gleich auch einen Kontakt zum Berliner Fußball-Verband, denn dem behelfsmäßigen Fußballplatz des Refugiums fehlen bisher selbst die Tore.

Im Rahmen der Aktionstage „Saubere Sache – gemeinsame Sache“ sind am 19. September von 10 bis 16 Uhr alle Bürger aufgerufen, am Waldschluchtpfad 27 selbst mit anzupacken (Bus 135 oder X34 bis Breitehornweg). Der Garten soll weiter verschönt werden, rund um den Sandkasten vor dem Kindergarten sollen Sitzgelegenheiten und vielleicht eine Buddelecke für Kleinkinder entstehen. Auch die Werkstatt, in der gespendete Fahrräder wieder auf Vordermann gebracht werden, könnte Unterstützung gebrauchen.

Wer möchte, kann auch einen Kuchen backen, denn ab 14.30 Uhr will man sich bei Kaffee und Kuchen zum gegenseitigen Kennenlernen zusammensetzen. An Sprachbarrieren sollen die Kontakte nicht scheitern, die Mitarbeiter stehen als Dolmetscher bereit.

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