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Ausweg Umzug. Wenn die Mietkosten zu hoch sind, müssen sich Hartz-IV-Empfänger oft eine billigere Wohnung suchen. Die Zahl der Zwangsumzüge hat sich aber 2012 im Vergleich zum Vorjahr halbiert.

© Kitty Kleist-Heinrich

Hartz-IV-Mieten: Gericht: Jobcenter sollen auch höhere Mieten zahlen

Ein Sozialrichter hält die Berliner Verordnung zur Kostenübernahme für unrechtmäßig. Senator Czaja sieht aber keinen Grund nachzubessern. Nun stehen Entscheidungen in höchster Instanz an.

Streitigkeiten um die Übernahme der Mietkosten durch die Jobcenter gehören zu den häufigsten Klagegründen beim Sozialgericht. Jetzt hat eine Kammer des Gerichts zum ersten Mal entschieden, dass die Berliner Richtwerte für Hartz-IV-Mieten zu niedrig angesetzt sind und die seit Mai 2012 geltende Verordnung des Senats nicht rechtmäßig ist. Geklagt hatte ein Hartz-IV-Empfänger aus Friedrichshain-Kreuzberg. Das Jobcenter hatte es abgelehnt, eine Nachforderung für Heizkosten zu übernehmen, weil damit der zulässige Kostenrahmen für die Warmmiete überschritten würde. Der Richter entschied hingegen, dass die zugrundeliegende Berechnung anhand des Mietspiegels nicht aussagekräftig sei. Außerdem seien die steigenden Mietpreise in der Stadt nicht berücksichtigt worden. „Die Werte sind ohne Substanz“, heißt es in dem Urteil. Deswegen sei ein „Sicherheitszuschlag in Höhe von zehn Prozent“ auf den Richtwert für die Kaltmiete notwendig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Jobcenter hat Berufung eingelegt.

In anderen Fällen haben Richter in ihren Entscheidungen bisher durchaus die Werte der „Wohnaufwendungenverordnung“ des Senats zugrunde gelegt. Die Präsidentin des Sozialgerichts, Sabine Schudoma, konstatierte im Januar, dass durch die Verordnung die Festsetzung der Höchstmieten auf eine neue Grundlage gestellt sei: „Der Senat hat seine Hausaufgaben gemacht.“ Rechtsanwalt Kay Füßlein, der den Kläger vertritt, geht dennoch davon aus, dass das erstinstanzliche Urteil eine Signalwirkung hat und sich Richter daran orientieren werden.

Demgegenüber sieht Sozialsenator Mario Czaja (CDU), dessen Haus die Richtwerte für die Hartz-IV-Mieten erarbeitete, keinen Anlass, die Verordnung zu überprüfen. „Es ist erstaunlich, dass der Richter nicht eine höchstrichterliche Entscheidung über die Verordnung abgewartet hat“, sagte seine Sprecherin Franciska Obermeyer. Das Landessozialgericht in Potsdam will bis zum Frühsommer über Normenkontrollklagen und damit über die Rechtmäßigkeit der Verordnung entscheiden. Rechtsanwalt Füßlein hat zudem mit einer anderen Normenkontrollklage Revision beim Bundessozialgericht eingelegt. Dabei geht es allerdings um die Frage, ob die Verordnung im Fall eines erwerbsunfähigen Rentners, der Grundsicherung bezieht, anzuwenden ist.

Bereits beim Inkrafttreten der Richtlinie bemängelten Opposition, Sozialverbände und Mieterverein, die Grenzwerte seien angesichts der steigenden Mieten viel zu niedrig angesetzt. Die Direktorin des Diakonischen Werkes, Susanne Kahl-Passoth, nannte das jetzige Urteil richtungsweisend, auch wenn es noch nicht rechtskräftig sei. Von einer „Schlappe“ für Sozialsenator Czaja sprechen die Grünen. Sie fordern, die Richtwerte regional zu differenzieren: „ Anderer Kiez, andere Kosten.“

Czajas Sprecherin Obermeyer sagte, die Verwaltung habe sich an den Vorgaben des Bundessozialgerichts orientiert. Zudem würden jetzt der Mietspiegel, die Art der Heizung und die Größe des Mietshauses berücksichtigt. Ohnehin gebe es bald nach dem neuen Mietspiegel eine Anpassung der Werte. Außerdem sei seit Inkrafttreten die Zahl der Umzüge wegen zu hoher Mieten um die Hälfte gesunken. In Berlin erhalten 305 000 Haushalte Hartz IV.

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