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Berlin: Geschenkt!

Eine Nachbarschafts-Initiative baut Boxen, in denen man Mitmenschen gratis Dinge überlässt

Da konnte jemand sein Glück gar nicht fassen: „Ich habe hier ein unabgeschlossenes Fahrrad gefunden. Ist das wirklich umsonst?“ steht da auf einem Zettel an der Pinnwand. Darunter eine krakelige Zeichnung des Fundstücks und eine Telefonnummer – für alle Fälle.

Nachrichten wie diese finden sich fast täglich im Gästebuch oder an der Pinnwand der Givebox in der Steinstraße in Mitte: Die Leute können es nicht fassen, dass ihnen jemand etwas schenken will. Einfach so. Bedingungslos. Sie haben das Schenken und Beschenktwerden verlernt. Eine Gruppe junger Berliner will es ihnen wieder beibringen – mit der Givebox, einer grob zusammengezimmerten, telefonhäuschengroßen Kiste. Hierher kann man seine alten Sachen bringen, um sie an Fremde weiterzuverschenken.

Die erste Box wurde vor zwei Wochen in der Steinstraße in Mitte errichtet. Eine zweite steht seit Samstag in der Kreuzberger Falckensteinstraße. „Die Idee ist eigentlich nicht neu“, sagt der Erbauer der Givebox, der anonym bleiben möchte, bescheiden. „Es ist einfach eine Kombination aus Flohmarkt, Secondhand-Laden und der altbewährten Kiste im Hausflur.“

Die Givebox ist nicht nur die einfachere, sondern auch die elegantere Lösung. Die Innenwände sind tapeziert, Blumen und allerlei Schnickschnack schmücken das Häuschen von außen. Die Glitzerschrift darüber verkündet: „Sharing is caring – teilen heißt sich kümmern“. Denn wer seine alten Sachen verschenkt, statt sie weg zu werfen, macht nicht nur anderen Menschen eine Freude, sondern fördert auch die Nachhaltigkeit.

Tina Otter ist von der Idee begeistert. Am Sonnabend hat die Kreuzbergerin die Macher schon beim Basteln beobachtet. Einen Tag später begutachtete sie das Ergebnis als eine der Ersten im Kiez. „Ich hoffe, dass es gut läuft“, sagt sie. Ihre größte Befürchtung ist, dass die Box zugemüllt wird. „Das wird hier nicht unproblematisch“, prophezeit sie.

Die Macher kennen diese Zweifel. Wieder und wieder haben sie alles durchgekaut, nach Lösungen gesucht. Jede Givebox soll einen „Paten“ bekommen, der nach dem Rechten sieht. Ansonsten haben sich die Givebox-Architekten dazu entschieden, den Menschen einfach zu vertrauen. Ihr Motto: „Nicht die Givebox muss sich ändern, sondern die Welt!“

Aber auch sie mussten dazulernen – zum Beispiel, dass man das Gästebuch doch besser mit einem Drahtseil befestigen sollte. Auch mit Vandalismus haben sie schon ihre Erfahrungen gemacht. Doch das Positive überwiegt, sagen die Projekt-Initiatoren aus der Steinstraße. Ihre Nachbarschaft sei zusammengewachsen, seit es die Box gibt. Die Bewohner sind geradezu süchtig nach der Geschenkbox. Manche kommen täglich vorbei, um zu sehen, was es Neues gibt, zum Beispiel die Kinder von der nahe gelegenen Schule. Wenn jemand etwas kaputtmacht, hilft die ganze Nachbarschaft bei der Reparatur.

Mit so viel Begeisterung hatten die Macher nicht gerechnet. Über Facebook, die Givebox-Pinnwand und das Gästebuch erhalten sie viel Lob und Anerkennung für ihr Projekt. Mehr als das wünschen die sich aber Nachahmer, die der Givebox eine Chance geben. Laura Stresing

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