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48.500 Unterschriften hatte die Initiative Mietenvolksentscheid im Frühjahr gesammelt. Fast doppelt soviele wie nötig.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Gesetz zur "Wohnraumversorgung": Mieten-Kompromiss: Initiative geht auf Distanz

Die Initiative Mietenvolksentscheid distanziert sich vom Kompromiss mit dem Senat. In der Koalition reagiert man verwundert. Das Volksbegehren läuft vorerst weiter.

Sie haben lange diskutiert, keine einfache Materie, so ein „Wohnraumversorgungsgesetz“, kurz: WoVGBln. Neun Wochen nach dem vom Senat euphorisch gefeierten „Kompromiss“ in Sachen Wohnungspolitik liegt jetzt eine ausführliche Stellungnahme der Initiative Mietenvolksentscheid vor, mit der im Sommer wochenlang verhandelt worden war. Und die fällt äußerst reserviert aus. Nach Abwägung der Vorzüge und Nachteile des vom Senat vorgelegten Gesetzentwurfs urteilt das Bündnis aus Mieteninitiativen: Von einer „Einigung“ oder einem „Kompromiss“ könne „keine Rede sein.“ Der Kampf gehe weiter.

Was ist passiert? Verweigert die Basis der Initiative ihren Verhandlungsführern plötzlich die Gefolgschaft? War der Kompromiss gar keiner?

"Wir haben nicht zugestimmt"

Mietenvolksentscheid-Sprecher Rouzbeh Taheri spricht von einem „komplizierten Diskussionsprozess“. Teile des Bündnisses hätten schon die Aufnahme von Gesprächen mit dem Senat abgelehnt. Zudem habe sich die Initiative den Entwurf des Senats nie zu eigen gemacht. „Wir haben nicht zugestimmt.“ Schon das Wort „Verhandlungen“ ging den Aktivisten damals zu weit. Die CDU-Fraktion, die in die Gespräche eingebunden war, sieht das anders. „Bisher gehe ich davon aus, dass das vereinbarte Gesetzespaket und das Prozedere, das Volksbegehren nach der Verabschiedung zurückzunehmen, eingehalten wird“, sagte CDU-Bauexperte Matthias Brauner. Linken-Politikerin Katrin Lompscher verteidigt dagegen die Initiative: „Die Tonalität ,Kompromiss’ kam von der SPD.“ "Es gab auf beiden Seiten große Ernsthaftigkeit", erklärte die wohnungspolitische Sprecherin der SPD, Iris Spranger.

Im Januar soll das Wohnraumgesetz in Kraft treten

Offenbar wird hinter den Kulissen bis zuletzt gepokert. Der Gesetzentwurf soll zwar schon am 12. November im Parlament verabschiedet werden, aber die Opposition hat noch Veränderungswünsche. Am kommenden Mittwoch gibt es im zuständigen Bauausschuss nur einen Tagesordnungspunkt: die Anhörung zum geplanten WoVGBln. Schon am 1. Januar 2016 soll das Gesetz in Kraft treten, rechtzeitig vor dem anlaufenden Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus im Herbst. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will damit punkten, dass mehr als 20 000 Berliner von Mietsubventionen profitieren.

Doch es könnte auch alles anders kommen. Offiziell läuft das eingeleitete Volksbegehren des Mietenbündnisses weiter. Innensenator Frank Henkel (CDU) prüft immer noch, ob der Gesetzentwurf des Volksbegehrens „zulässig“ ist oder „verfassungsrechtlich bedenklich“. Die Prüfung läuft seit dem Frühjahr – bislang ohne offizielles Ergebnis. „Aufgrund des Umfangs und der komplexen Thematik dauert die abschließende Prüfung an, ist aber in Bearbeitung“, erklärte die Innenverwaltung auf Anfrage.

Grüne wollen dem Gesetz des Senats zustimmen

Laut Initiative gibt es deutliche Hinweise, dass der Senat den Entwurf für verfassungswidrig hält und eine Prüfung durch das Landesverfassungsgericht einleiten würde. Das stand schon als drohendes Menetekel über den Kompromiss-Gesprächen im Sommer. Werde das Verfassungsgericht eingeschaltet, müsste sich die Initiative auf ein jahrelanges Verfahren einstellen, sagt Taheri. Der Volksentscheid würde seine politische Dynamik einbüßen. „In diese Falle tappen wir nicht, dafür gibt es in der Initiative eine Mehrheit.“ Die Grünen wollen dem Wohnraumgesetz des Senats zustimmen, obwohl sie einige Defizite sehen. „Dieser Kompromiss ist ein Modellfall für den Umgang mit direkter Demokratie“, sagt ihr baupolitischer Sprecher Andreas Otto.

Vermieter sollen an Kosten beteiligt werden

Am Montag will Otto ein Gutachten vorstellen, wie die Vermieter an den Kosten für das Gesetzespaket beteiligt werden könnten. Dabei geht es um die rund 28 000 Sozialwohnungen, für die eine sogenannte Kostenmiete verlangt werden darf. Der Senat will auch diese Mieten abhängig vom Einkommen des Mieters subventionieren. Otto möchte dagegen, dass die Grundlage für die Kostenmieten neu berechnet wird. Dadurch könnte der Senat Geld sparen.

Grünen, Linken und vielen Mietenaktivisten reicht die im Gesetzentwurf vorgesehene Subventionierung nicht aus. Generell sollen Mieter in Sozialwohnungen maximal 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aufbringen. Berechnungsgrundlage ist dabei die Nettokaltmiete. Das würde auch nach Einschätzung des Mietervereins bedeuten, dass finanzschwache Mieter wegen der hohen Nebenkosten fast 50 Prozent ihres Einkommens für die Wohnung ausgeben müssten. Für die finanzielle Unterstützung von Mietern sind rund 40 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen, bis 2020 insgesamt 220 Millionen Euro. Zusammen mit der Förderung von Neubauwohnungen und der energetischen Modernisierung sollen insgesamt 1,4 Milliarden Euro für das Gesetzespaket ausgegeben werden. Im Gesetzentwurf selbst sind allerdings keine konkreten Summen benannt. Auch die angekündigte Aufstockung des Eigenkapitals der städtischen Wohnungsbaugesellschaften wird nicht beziffert.

Die Details des geplanten Wohnraumgesetzes

Nach dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen Mieter in den 130.000 Sozialwohnungen maximal30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete ausgeben müssen. Diese Obergrenze gilt auch für Wohnungen, die aus der Anschlussförderung gefallen sind. Gezahlt wird maximal ein Zuschuss von 2,50 Euro pro Quadratmeter. Rund 900 Millionen Euro will der Senat in den nächsten fünf Jahren in einen Fonds investieren, aus dem der Neubau von jährlich 3000 Wohnungen gefördert werden soll. Die Mieten in diesen Wohnungen sollen bei 6,50 Euro kalt liegen. Das Mietenbündnis hält diese Sozialmiete für zu hoch bemessen.
Die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen eine Kapitalspritze von rund 300 Millionen Euro erhalten und müssen keine Gewinne mehr ans Land abführen. Dafür sollen sie Sozialwohnungen ankaufen und neue bauen. Sie werden verpflichtet, Wohnraum vor allem für sozial schwache Mieter zu schaffen.

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