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Berlin: Gesunder Optimismus

Medizin ist eine Job-Maschine, sagt der Senat. „Berlin-Chemie“ macht es vor

Die gute Nachricht für den Berliner Arbeitsmarkt: Der Adlershofer Pharma-Hersteller Berlin-Chemie will bis 2008 seine Mitarbeiterzahl von jetzt 3700 auf bis zu 8000 aufstocken und damit mehr als verdoppeln. Rund 1500 Jobs könnten am Hauptsitz Berlin entstehen, sagt Grit Kuchling, Pressesprecherin des Unternehmens, ein weiteres Drittel werde in anderen Bundesländern geschaffen und der Rest in Osteuropa, wo das Geschäft für die zum italienischen Menarini-Konzern gehörende Firma brummt.

Keine Frage: Die Gesundheitsbranche boomt und kann auch in Berlin Jobmotor sein. Das hat auch der Senat erkannt, als er Anfang September ein Aktionsprogramm ankündigte, durch das zum Beispiel in Wellness-Centern, Medizin- und Biotechnik-Firmen bis 2010 rund 70000 neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Schon jetzt arbeiten in der hiesigen Gesundheitswirtschaft 180 000 Menschen.

In zwei Bereichen erwartet Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) ein besonders heftiges Wachstum: in der Biotechnologie und in der Medizintechnik. Da ist zum Beispiel das Netzwerk Biotop, das rund 150 kleine und mittelständische Biotech-Unternehmen der Region repräsentiert. Im Kernbereich beschäftigten diese Firmen rund 3000 Menschen, sagt Kai Bindseil, Leiter von Biotop. Bis 2010 könnten es zwischen 6000 und 8000 sein. „Wenn alles optimal läuft.“ Und das bedeutet vor allem, dass die Unternehmen leichter als bisher an Risikokapital herankommen, um die aufwändigen und kostspieligen Zulassungsverfahren von neuen Produkten zu finanzieren.

Mehr Jobs erwartet man auch bei TSB-medici, einem Zusammenschluss von 140 meist klein- und mittelständischen Medizintechnikfirmen in Berlin. 5000 Menschen arbeiten derzeit hier. „Eine Verdopplung bis 2010 ist drin“, sagt Vereinschef Helmut Kunze.

Doch ob wirklich die vom Senat erwarteten 70 000 neuen Jobs entstehen, ist schwer abzuschätzen. „Wenn es nur 60000 sind, wird auch niemand mäkeln“, sagte Hans-Jochen Brauns, Geschäftsführer des Vereins Gesundheitsstadt Berlin vor Vereinsmitgliedern. Aber man habe ein „sehr ehrgeiziges Vorhaben“ nennen müssen, um Aufbruchstimmung zu erzeugen. Biotop-Chef Kunze stimmt zu. „Und selbst, wenn es insgesamt nur 40000 neue Arbeitsplätze werden, sind alle zufrieden.“

Denn es gibt auch Bereiche, in denen Jobs wegfallen. So planen mehrere Kliniken in nächster Zeit einen massiven Personalabbau. Bei Vivantes soll es 2008 rund 1500 Vollzeitstellen weniger geben und bei der Charité sind bis 2006 mindestens 500 Arbeitsplätze gefährdet. Das Management des Deutschen Herzzentrums Berlin rechnet mit einer Reduktion um 100 Stellen bis 2008. Und der Bettenabbau und damit der Verlust von Stellen wird sich nach Expertenmeinung auch bei anderen Kliniken fortsetzen.

70000 neue Jobs – ein Symbol also. Aber das sei durchaus ein Weg, um politische Veränderungen durchzusetzen, meint Andrea Fischer, ehemalige grüne Bundesgesundheitsministerin und jetzige Unternehmensberaterin. „Ob das allerdings der richtige Weg ist, das ist eine Frage des Geschmacks.“

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