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Berlin: Gewalt auf dem Sportplatz: Den Fuß am Ball und die Faust im Gesicht

Üble Fouls, Massenschlägereien und Attacken auf den Schiedsrichter: Im Berliner Amateur-Fußball geht es in letzter Zeit wieder hoch her. Allein in den vergangenen drei Wochen gab es siebzehn Spielabbrüche wegen Gewalt auf dem Platz - in der letzten Saison waren es siebzig Spiele in allen Altersklassen, die vom Schiedsrichter vorzeitig beendet wurden.

Üble Fouls, Massenschlägereien und Attacken auf den Schiedsrichter: Im Berliner Amateur-Fußball geht es in letzter Zeit wieder hoch her. Allein in den vergangenen drei Wochen gab es siebzehn Spielabbrüche wegen Gewalt auf dem Platz - in der letzten Saison waren es siebzig Spiele in allen Altersklassen, die vom Schiedsrichter vorzeitig beendet wurden.

Ein typisches Beispiel aus der letzten Zeit: In der neuntklassigen Kreisliga B stehen sich Union Südost aus Neukölln und einer der arabischen Klubs Berlins, Al Kauthar, gegenüber. Ein Kauthar-Spieler wird vom Platz gestellt, weil er eine Schiedsrichterentscheidung kritisiert hat. Es kommt zum Handgemenge, die Neuköllner Spieler verteidigen den Schiedsrichter, Zuschauer beider Seiten schalten sich ein, das Ganze endet in einer Massenschlägerei. Die Polizei fährt vor und nimmt Anzeigen auf. Der Schiedsrichter vermerkt in seinem Bericht, dass ein Kauthar-Spieler ihn getreten hat. Der Treter wird für ein Jahr gesperrt - wie auch sein Präsident, Mohamed Iraqui, der mitgeprügelt haben soll. Doch der sieht alles ganz anders. "Das war keine Schlägerei. Ich wollte die Streitenden auseinander bringen." Außerdem sei der Schiedsrichter nicht getreten worden, "der ist gestolpert". Ein anderer Zeuge behauptet gar, der Schiedsrichter habe simuliert. Al Kauthar werden 21 Punkte abgezogen, für jeden prügelnden Spieler drei. Dabei hat der Verein wohl noch Glück gehabt. Klubs wie FC Jugoslavija oder der FK Makedonija wurden in der Vergangenheit für ganze Runden gesperrt.

Gerd Liesegang kennt die Ausreden seiner Pappenheimer. Er leitet mit Mitgliedern des Berliner Fußball-Verbandes (BFV), Jugendprojekten und der Polizei das Anti-Gewalt-Projekt für Fußballer. Der 43-Jährige versucht, zwischen den Vereinen unabhängig vom Sportgericht die Sache zu klären. Denn mit Strafen bekommt der BFV das Problem nicht mehr in den Griff. "Die Aggressionen in unserer Gesellschaft und auch in der Heimat vieler ausländischer Kicker spiegeln sich auf den Plätzen wider", sagt Liesegang. Seien es Ausländerfeindlichkeit in Deutschland oder ethnische Auseinandersetzungen in anderen Ländern. Der 43-Jährige kennt die Situation. Er ist Jugendleiter beim Kreuzberger Fußball-Verein Berliner Amateure, bei dem Spieler aus 32 Nationen kicken. Dort gibt es immer Stress. "Als in Jugoslawien der Krieg ausbrach, haben Kroaten und Serben von heute auf morgen nicht mehr miteinander gesprochen." Oder sie beschimpften sich in einer Sprache, die Liesegang nicht verstand. "Viele sind einfach nur hilflos."

Doch oft werden die ausländischen Spieler auch provoziert. Wie sollen sie auf Hakenkreuz-Schmierereien auf dem Kunstrasen reagieren? Oder auf grölende Fans und Vereinsmitglieder, die am Spielfeldrand ausländerfeindliche Sprüche klopfen? Oder wie kann man die Situation entschärfen, wenn Türken auf Kurden, Palästinenser auf jüdische Spieler treffen? Liesegang versucht, die Betroffenen zusammenzubringen. Sein Credo: Denjenigen, den man kennt, tritt man nicht mit Aluminium-Stollen um.

Tuvia Schlesinger, Sportwart beim jüdischen Klub TuS Makkabi, unterstützt Liesegangs Projekt. Seine zweite Mannschaft trifft bald auf den SC Al Quds, bei dem viele Palästinenser spielen. Schon der Name klingt für Juden provokativ, denn Al Quds ist die arabische Bezeichnung für Jerusalem. Schon jetzt setzen beide Seiten auf Deeskalation. "Politik spielt bei uns keine Rolle", sagen Schlesinger und der Al-Quds-Vorsitzende Issam Aoudi unisono. Doch allzu oft werden solche Probleme eben doch auf Berlins Fußballplätzen ausgetragen.

Der Schiedsrichter kann solche Konflikte nicht lösen. Zumal es einen Mangel an guten Schiedsrichtern gibt. Seitdem der BFV noch eine elfte und zwölfte Liga eingeführt hat, "fehlen uns qualitativ gute Schiris", sagt Liesegang, viele seien unsicher und reagierten überhastet.

Etwa zuletzt, bei einem Spielabbruch in Kaulsdorf. Es war das klassische Muster: Ein Ost-Berliner Verein, Kaulsdorf, in dem fast nur Deutsche kicken, gegen ein Team mit türkischer Tradition, Trakyaspor. Die Mannschaft aus dem Westend war schon einige Male unangenehm aufgefallen. Der Schiedsrichter brach das Spiel fünf Minuten vor Schluss ab. Trakya-Spieler hatten eine seiner Entscheidungen kritisiert - aufgeregt, aber gewaltlos.

AndrÉ Görke

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