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Gewalt: Bürgeramt Neukölln: Wachmann muss Mitarbeiter schützen

Die Stimmung im Bürgeramt Neukölln war schon lange mies, nun aber wird sie zunehmend aggressiv: Längere Wartezeiten verärgern die Kunden. Eine Sachbearbeiterin erlitt bereits einen Kieferbruch, als nach Dienstschluss ein Unbekannter auf sie einprügelte.

Die Eingangshalle des Bürgeramts in Neukölln ist brechend voll. Seit drei Stunden wartet der Hartz-IV-Empfänger, der seinen Namen nicht nennen will, bereits auf dem Flur. Der 32-Jährige ist einer von 297 Neuköllnern, die seit acht Uhr eine Nummer gezogen haben. Jetzt hat er noch 58 Menschen vor sich, bis er seinen Berlinpass beantragen kann. „Das ist echt Behördenschikane: Alle zwei Monate brauche ich eine neue Berechtigung für Hartz IV, dafür muss ich ins Jobcenter. Und für den Berlinpass muss ich jetzt zusätzlich ins Bürgeramt.“

Die Stimmung im Bürgeramt Neukölln war schon lange mies, nun aber wird sie zunehmend aggressiv: Eine Mitarbeiterin erlitt am Dienstag einen Kieferbruch, als nach Dienstschluss ein Unbekannter auf sie einprügelte. Seit im Januar der Berlinpass eingeführt wurde, den neben Hartz-IV-Beziehern auch Empfänger von Sozialhilfe oder Grundsicherung sowie Asylbewerber beantragen können und der Vergünstigungen wie billige Eintrittskarten und das BVG-Sozialticket ermöglichen soll, ist die Kundenzahl in der Donaustraße im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel gestiegen: „Wir hatten allein im Januar 4000 Neuköllner mehr hier als im Vorjahr“, sagt die Fachbereichsleiterin des Bürgeramts. Eigentlich könnte ihr achtköpfiges Team maximal 400 Kunden täglich bearbeiten, am Dienstag seien es 595 gewesen.

Der Angreifer ging vor der Tür ohne Vorwarnung auf die Mitarbeiterin los. „Ob es ein wütender Kunde war, wissen wir nicht.“ Jedoch stehe den Angestellten seitdem ein Sicherheitswachmann zur Seite. Die meisten würden das Haus ohnehin nur zu mehreren verlassen.

„Damit morgens kein Streit unter den Wartenden entsteht, ziehen wir für die Kunden die Wartenummern. Und wenn es zu voll wird, schalten wir die Nummerndrucker schon um 14 Uhr ab.“ Kunden müssten mit einer Wartezeit von bis zu fünf Stunden rechnen. „Das frustriert“, sagt eine Mitarbeiterin. Sie hat nach dem Übergriff auf ihre Kollegin „ein bisschen Angst“. Der Berlinpass hat dem Bürgeramt jede Menge Bürokratie beschert: „Wir müssen die Daten jedes Einzelnen prüfen, um festzustellen, ob er berechtigt ist. Im Jobcenter ginge das in einem Aufwasch“, sagt die Fachbereichsleiterin. Die Neuköllner Stadträtin für Bürgerdienste, Stefanie Vogelsang (CDU), hält den Pass für gut gemeint, aber miserabel gemacht. Sie hat Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) ins Bürgeramt eingeladen: „Sie soll sich selbst ein Bild davon machen, wie das hier abläuft.“

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