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Berlin: Gewalt gegen Frauen reicht bis zum Mord In diesem Jahr wurden 6000 Fälle angezeigt

Die Gewalt steigert sich allmählich. Wird eine Frau von ihrem früheren Ehemann getötet, ist sie in der Regel schon jahrelang von ihm geschlagen worden – jedenfalls nach der Erfahrung der Mitarbeiterinnen der „Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen“ (BIG).

Die Gewalt steigert sich allmählich. Wird eine Frau von ihrem früheren Ehemann getötet, ist sie in der Regel schon jahrelang von ihm geschlagen worden – jedenfalls nach der Erfahrung der Mitarbeiterinnen der „Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen“ (BIG). So wie im Fall der 21-jährigen Semra U., die am Donnerstag, wie berichtet, von ihrem früheren Ehemann Cengiz U. in Reinickendorf mit zahlreichen Messerstichen getötet worden war – vor den Augen des gemeinsamen Kindes. Auch sie soll von ihrem Mann öfter geschlagen worden sein.

Laut Kripo wurden in diesem Jahr bislang rund 6000 Fälle häuslicher Gewalt angezeigt. Zwei davon endeten tödlich. Darunter der Fall von Semra U. Hier war offenbar der Streit um das Sorgerecht für die drei Jahre alte Tochter der Grund. Im Oktober hatte ein 28-jähriger Türke seine 24-jährige Ehefrau ebenfalls vor den Augen des gemeinsamen Kindes niedergestochen. Auch diese Frau hatte sich einige Zeit zuvor von ihrem Mann getrennt – weil er sie häufig geschlagen hatte.

Sowohl die Polizei als auch die Mitarbeiter von BIG betonen jedoch, dass sich häusliche Gewalt durch alle Gesellschaftsschichten und Nationalitäten zieht. Für alle gilt: „Die Frau lebt am gefährlichsten, wenn sie in der Trennungsphase ist. Hier passieren die meisten Angriffe, die manchmal auch tödlich enden“, sagt BIG-Mitarbeiterin Beate Nink.

Allerdings herrsche in traditionell geprägten Ausländerfamilien noch ein anderes Rollenverständnis. Es gelte häufig als normal, dass sich die Männer nach einer Trennung an den Frauen „rächen“. Im Großbezirk Mitte, in der Polizeidirektion 3, liegt bei Einsätzen zu häuslicher Gewalt der Anteil in ausländischen Familien bei rund 40 Prozent. Von den rund 6000 Anrufen, die beim BIG-Telefon pro Jahr eingehen, sind knapp zehn Prozent ausländische Frauen.

Rund 200 Mal pro Jahr rückt das „mobile Einsatzteam“ von BIG aus. Die Mitarbeiterinnen fahren persönlich zu den Opfern. Rund ein Viertel der Frauen waren nicht-deutscher Herkunft; auch eine Dolmetscherin war im Einsatz. Wie viele dieser Frauen in einer Zwangsehe lebten – wie im Fall von Semra U. –, ist nicht bekannt. Man wolle die Frauen, die „emotional sehr belastet sind“, nicht noch mit solchen Fragen bedrängen. Auch die Polizei kann keine Angaben darüber machen, in wie vielen Fällen von häuslicher Gewalt die Opfer in einer Zwangsehe leben. „Bislang ist das auch noch kein Straftatbestand“, sagt Tanja Engel. Wie berichtet, unterstützt der Senat eine Gesetzesinitiative, die künftig Zwangsheiraten unter Strafe stellen will.

BIG-Telefon: 611 03 00

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