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Berlin: Gewalt in der Familie: Bannmeile um die Wohnung

Frauen und Kinder sind in Berlin nicht schutzlos gegen Männergewalt. Vor fünf Jahren begann ein bundesweit einmaliger Modellversuch, die Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen (BIG).

Frauen und Kinder sind in Berlin nicht schutzlos gegen Männergewalt. Vor fünf Jahren begann ein bundesweit einmaliger Modellversuch, die Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen (BIG). Finanziert von Land und Bund plant das Projekt seitdem Maßnahmen im Bereich der polizeilichen Intervention, des Zivil- und Strafrechts, bildet Polizisten, Justizangestellte und demnächst auch Mitarbeiter der Jugendämter fort. Ein Beispiel: Bedrohte Frauen können eine Auskunftssperre für ihre Adresse erreichen. Wenn sich eine Frau mit ihren Kindern versteckt halten wolle, sagt Ines Meyer von BIG, "müssen aber alle Stellen dicht halten". Im Falle des ermordeten Mädchens sei wohl eine Panne passiert, vermutet Meyer.

Ziel des BIG-Projekts sei es, das Thema häusliche Gewalt zu enttabuisieren, sagt Klaus-Peter Florian, Sprecher der Senatorin für Arbeit, Soziales und Frauen. In der Öffentlichkeit und bei Behörden müsse noch deutlicher werden: "Es handelt sich nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um Vergehen wie Körperverletzung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder Beleidigung."

Die Berliner Polizei rückt heute nicht mehr zum "Einsatz in Familienstreitigkeiten" aus, sondern zum "Einsatz bei häuslicher Gewalt". Damit sei ein völlig anderes Eingreifen verbunden, sagt Florian. Früher hätten die Beamten versucht, zwischen den Partnern zu schlichten, heute würden sie ganz gezielt Täter und Opfer trennen, häufig auch den prügelnden Mann festnehmen. Allerdings könnten die Täter in der Regel nur für 48 Stunden festgehalten und damit von der gemeinsamen Wohnung ferngehalten werden. Das Land Berlin arbeite intensiv an einem neuen Bundesgesetz zum Gewaltschutz mit. Danach sollen der Verweis des gewalttätigen Mannes aus der gemeinsamen Wohnung, ein Kontaktverbot zu Frau und Kindern und eine "Bannmeile" um die Wohnung "schneller mit Kraft des Gesetzes" verhängt werden.

Ines Meyer, Juristin und Projektkoordninatorin bei BIG, betont, dass solche Sanktionen auch heute schon gegen gewalttätige Männer erlassen werden können. Familiengerichte können Frauen die eheliche Wohnung zur alleinigen Nutzung zuweisen. Allerdings müsse von den Frauen oft die besondere Härte bewiesen werden. Und wenn der Mann nicht freiwillig gehe, müsse noch einmal die Vollstreckung beantragt werden. Dann dauere es wieder bis zu einem halben Jahr, bis der Gerichtsvollzieher einschreite. Die Amtsgerichte können eine "Bannmeile" um Wohnung, Kindergarten und Arbeitsstelle anordnen. Aber auch hier sei es schwer, den Mann zu zwingen, sich daran zu halten.

Sicheren Schutz bieten derzeit nur Zufluchtswohnungen und Frauenhäuser. Die Adressen sind nicht öffentlich bekannt, werden nur von Frauen an Frauen weitergegeben, unter anderem am Notruf-Telefon von BIG (siehe unten). "Bislang wurde noch keine Frau und kein Kind in einem Frauenhaus umgebracht", sagt Ines Meyer. In Berlin gibt es 43 Zufluchtswohnungen mit 116 Plätzen für Frauen und 159 Plätzen für Kinder. In den sechs Frauenhäusern stehen 310 Plätze zur Verfügung. Das Projekt BIG hat Anfang dieses Jahres die Modellphase verlassen und wird jetzt mit jährlich 600 000 Mark von Land und Bund finanziert, das Notruftelefon trägt das Land Berlin mit 500 000 Mark Förderung.

Die BIG-"Hotline bei häuslicher Gewalt gegen Frauen" ist täglich von 9 bis 24 Uhr unter der Telefonnummer 6110300 zu erreichen. Die Mitarbeiterinnen vermitteln Betroffene an Frauenprojekte und kostenlose Rechtsberatung und stellen den Kontakt zu Zufluchtswohnungen und Frauenhäusern her.

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