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Berlin: Gewalt macht Schule

Innerhalb eines Schuljahres stieg die Zahl der Delikte um 56 Prozent – betroffen sind alle Schulformen

Von Sabine Beikler

Zehn Gewaltvorfälle meldete die Rütli- Schule allein im ersten Schulhalbjahr an die Schulverwaltung. Doch die Neuköllner Hauptschule ist kein Einzelfall. An Berliner Schulen wird immer häufiger geschlagen, geprügelt, getreten und gedroht. 894 Gewalttaten meldeten rund 870 Schulen mit 341 000 Schülern im vergangenen Schuljahr: Im Vergleich zum Vorjahr, in dem 560 Fälle registriert wurden, ist das eine Zunahme von 56 Prozent.

Um diesen Trend entgegenzuwirken, hat sich gestern auch eine Schülerinitiative „Zukunft für Schüler“ gegründet. Sie fordert das Recht auf angstfreies Lernen und will beispielsweise die Eltern stärker in den Schulalltag einbinden und verstärkt Kooperationen mit Firmen herstellen, damit auch Absolventen von Hauptschulen Kontakt zur Wirtschaft erhalten. Die mangelnden Perspektiven der Hauptschüler seien auch ein Grund für die desolate Lage. Im Gewaltbericht der Schulverwaltung schlug sich das im vergangenen Schuljahr indes nicht nieder. Die Zahl der Fälle, die Hauptschulen meldeten, blieb fast gleich: Sie ging im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht von 92 auf 91 zurück.

Die häufigsten Delikte sind einfache oder gefährliche Körperverletzungen: 572 Fälle gab es im Schuljahr 2004/2005, im Vorjahr waren es 365 Fälle, wie der Gewaltbericht der Landeskommission gegen Gewalt verzeichnet. Auffällig ist jedoch, dass der Anteil der gefährlichen Körperverletzungen im Vergleich zum Vorjahr von 32,5 auf 22,8 Prozent abgenommen hat. Dass dagegen die Meldungen über einfache Körperverletzungen im Vergleichszeitraum um fast zehn Prozentpunkte auf über 41 Prozent zugenommen haben, führt Bildungsstaatssekretär Thomas Härtel auf die größer gewordene Sensibilität und Aufmerksamkeit von Erziehern und Lehrern zurück, schon „Vorfälle im Anfangsstadium“ ernst zu nehmen und sie zu melden. Nimmt etwa ein Schüler einen anderen in den Schwitzkasten, ist das bereits ein Fall von Körperverletzung.

Auch die Zahl der Bedrohungen nimmt in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu: Gab es vor sechs Jahren in dem Schuljahr nur 65 gemeldete Fälle, waren es im Schuljahr 2004/2005 bereits 159.

Gewalttaten gibt es an allen Schulen. Sonderschulen meldeten 49, Grundschulen 198, Gymnasien meldeten bis Klasse zehn 36, in der Oberstufe 33 und Gesamtschulen 147 Fälle. In Berlin gibt es seit 1992 eine Meldepflicht für Gewalttaten. Innerhalb von 24 Stunden werden Schulpsychologen darüber informiert, die sich gegebenenfalls einschalten. Für Schulsenator Klaus Böger (SPD) ist Gewalt eine „gesellschaftliche reale Erscheinung in Berlin“. Um sie einzudämmen, setzt Böger auf Prävention. Unter anderem sollen Schulen mit Projekten, Freizeiteinrichtungen, Vereinen oder der Jugendhilfe besser vernetzt werden. Allerdings gestand Böger ein, das sei „alles noch ausbaufähig“.

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