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Berlin: Gewalttäter gefasst – und monatelang auf freiem Fuß

Von Kerstin Gehrke Die Angst war wieder da. Auch im Gericht.

Von Kerstin Gehrke

Die Angst war wieder da. Auch im Gericht. Als die beiden libanesischen Frauen gestern als Opfer eines rechtsradikalen Überfalls zum Prozess gegen einen der mutmaßlichen Täter erschienen, saßen da auch kahl geschorene junge Männer in Bomberjacken vor der Saaltür. Einer davon, der noch auf seinen Prozess wartet, soll zu den Schlägern gehört haben, die Nasrine C. und ihre Schwiegermutter in einer Straßenbahn mit Fäusten und Springerstiefeln misshandelten. Wie der Angeklagte Ronny R. war er nach dem Überfall auf freiem Fuß geblieben. Nun sollte er als Zeuge befragt werden. Die beiden Frauen schienen ein Versteck zu suchen. Sie fanden es in einer Nische auf dem Gerichtsflur.

Es geschah Anfang des Jahres während des Berufsverkehrs, viele Zeugen sahen an jenem Nachmittag tatenlos zu. Die Libanesin Nasrine C. war am 30. Januar mit ihrer Schwiegermutter, ihrem siebenjährigen Sohn und einer Tante auf dem Nachhauseweg vom Einkaufen. Sie nahmen die Straßenbahnlinie 18 in Hellersdorf. Vier Jugendliche stiegen ein. Sie pöbelten die Frauen mit Kopftüchern an, gröhlten ausländerfeindliche Parolen. Nasrine C. nahm ihr Telefon, um die Polizei zu rufen. Da schlugen zwei der Täter auf die junge Frau und ihre Schwiegermutter ein. An der nächsten Haltestelle soll Ronny R. eine der Frauen an den Haaren aus der Bahn gezerrt haben. An der Haltestelle gingen die Tritte und Schläge weiter.

Die einzigen, die den Frauen halfen, waren der Straßenbahnfahrer und ein 21-jähriger Fahrgast. Nasrine C. erlitt eine schwere Kopfverletzung und musste ins Krankenhaus. „Ich saß in der Bahn, ich sah die Menschentraube“, sagte der 21-Jährige. „Keiner hat eingegriffen, sie haben weggeguckt.“ Der junge Mann ging dazwischen, fast zeitgleich kam der 33-jährige BVGer. Sie würden wieder eingreifen, sagten beide am Rande des Prozesses. Doch für die Entscheidungen von Polizei und Justiz hatten sie wenig Verständnis. „Kurz nach dem Überfall sah ich einen der Täter auf der Straße wieder“, sagte der 21-Jährige. Dabei sei er davon ausgegangen, dass die Jugendlichen in Haft sind, er sicher vor Rache für seine Zivilcourage sei.

Der 18-jährige Ronny R. muss sich nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung vor einem Jugendgericht verantworten. Kurz nach dem Angriff auf die Frauen waren er und die drei weiteren mutmaßlichen Neonazis festgenommen, aber nach ihrer Vernehmung wieder entlassen worden. R. soll bei der Polizei Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit als Motiv genannt haben. Dann ließen ihn die Beamten gehen. Bei Jugendlichen gebe es für die Untersuchungshaft sehr strenge Vorschriften und sehr hohe Ansprüche an Haftgründe, hieß es.

Zu diesem Zeitpunkt lagen gegen Ronny R. bereits mehrere Anzeigen vor. Zweimal soll er Nazi-Parolen gegröhlt haben. Im Oktober vergangenen Jahres gehörte er laut Staatsanwaltschaft zu einer Gruppe Rechtsradikaler, die in einer Lichtenberger Gaststätte randalierte. Erst als es knapp drei Monate nach dem Überfall auf die Libanesinnen zu einer weiteren ausländerfeindlichen Attacke kam, kam Ronny R. in U-Haft. Laut Anklage wollte er in diesem Fall mit einem Baseballschläger auf das Opfer losgehen.

Inzwischen hat er sein Aussehen verändert. Die Haare sind länger, er trägt Turnschuhe und einen Pullover. Als er in den Gerichtssaal geführt wurde, sah er sich hilfesuchend zu seiner Mutter und seiner schwangeren Verlobten um. Was er den Richtern sagte, wurde nicht bekannt. Das Gericht hatte die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Das Urteil wird für den 2. August erwartet.

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