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Edel in Charlottenburg: Das Restaurant Glass.

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Von TISCH zu TISCH: Glass

Küchenchef Gal Ben-Moshe hat endlich einen eigenen Stil entwickelt und überzeugt mit filigran gestalteten Kompositionen nahöstlicher Inspiration.

Manches Restaurant kommt hier einmal vor und nie wieder, manch anderes (gefühlt) jedes Jahr. Und nein, das hat nichts mit vermeintlich bestechlichen Kritikern zu tun, sondern ganz einfach mit der Entwicklung der Küche. Stagniert sie, tut sie das ohne mich, kommt ein neuer vielversprechender Koch ans Ruder, bin ich dabei.

Und dann gibt es natürlich auch noch eine dritte Möglichkeit: Ein guter Koch entwickelt sich so deutlich weiter, dass es im Grunde keine Wahl gibt. Darüber muss berichtet werden, auch wenn schon wieder zehn neue Restaurants vorerst unerwähnt bleiben.

Endlich ein eigener Stil

Ein solcher Fall ist das „Glass“. Gal Ben-Moshe, ohne Zweifel ein herausragender Koch, hat sich lange schwergetan mit der Entwicklung eines eigenen Stils, hat sich richtig dagegen gesträubt, die Aromen und Produkte seiner Heimat und des gesamten Nahen Ostens zu verwenden, obwohl das doch auf Gourmet-Niveau in Berlin eine Marktlücke ist.

Nun hat es aber gottlob gefunkt, er kocht wie immer handwerklich präzise ausgefeilt und geschmacklich so spannend und gut ausgewogen, dass das Ausbleiben des Michelin-Sterns im November schon ein richtiger Affront war.

Fein geht es also auf den Tellern zu, und keineswegs wird der Orient dadurch simuliert, dass alles à la Streetfood nach Kreuzkümmel schmeckt. Als Appetitanreger kommt eine pochierte Auster mit Passepierre, grünem Apfel und Salzzitrone, die hier aus der wunderbaren Meyer–Zitrone selbstgemacht wird – damit ist die Subtilität und Frische der neuen Glass-Küche schon vorgezeichnet.

Wunderbar kontrastreich schmeckt auch das Tatar aus aromatischem (!) Lamm mit Feigen, Couscous und Asche, und die Blumenkohlsuppe mit Spinat–Baklava und Sumach führt dann direkt ins Thema, das fortan nicht mehr aus dem Blick gerät.

Superb ist die puristische Kombination einer angerösteten Jakobsmuschel mit gehobeltem Fenchel, Okraschoten und einer formidablen Tomatensauce, zum saftigen Kaninchenrücken gibt es Malfouf, eine mit Fleischhack gefüllte Kohlroulade, und Bohnen in dunklem Zwiebelsud, zum Zander mit Zucchinischuppen Minzjoghurt, Salzzitrone und Maftul, den palästinensischen Weizen-Couscous. Ein bisschen zu roh vielleicht ist der Lammrücken bester Fleischqualität mit Zwiebeln, Karotten, Johannisbrot und Datteln, deren offensive Süße das Gericht ein wenig aus der Balance bringen – Kritik auf hohem Niveau.

Filigrane Kompositionen mit nahöstlicher Inspiration

Auch bei den Desserts gelingt es Ben-Moshe, die nahöstliche Inspiration in filigran gestaltete Kompositionen umzusetzen, so beim levantischen Knafeh, einer Süßspeise aus Fadenteig mit Ziegenkäse, ergänzt um Honigeis, Pistaziencreme und ein paar Kräuter, oder bei der in Wolken zerlegten Milchschokolade mit Halva, Kardamom und Topinambur (Menüs 79/119 Euro).

Hohes Lob verdient auch der Service von Jacqueline Lorenz, die einen profunden Weinkeller aufgebaut hat, aus dem natürlich – stilistisch angemessen – Abfüllungen aus Israel in Libanon herausstechen, aber auch sonst ist viel Gutes dabei. Die Weine kommen meist aus dem Coravin-System, mit dem geöffnete Flaschen lange frisch bleiben, das bedeutet, dass hier ganz ungewöhnliche Sachen offen verfügbar sind bis weit rauf; die Prestige-Weinbegleitung für neun Gänge kostet 150 Euro, die sich lohnen.

Ach, und dann waren da im ablaufenden Jahr noch allerhand Umzugsgerüchte. Sie haben sich erledigt. Das früher so seltsame Restaurant wurde gerade sehr angenehm umgebaut und aufgefrischt, bleibt aber natürlich seltsam im Rundum-Glaskasten in der Nähe des Steinplatzes.

Also: hingehen. Besser kann man diese Küche nicht machen.

Glass, Uhlandstr.195, Charlottenburg, Tel. 5471 0861, nur Abendessen, So/Mo geschlossen.

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