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Berlin: Glimpflich abgelaufen

In Brandenburg richtete das Elbehochwasser kaum Zerstörungen an. Die Deiche hielten – und den Helfern nützte die Erfahrung der Oderflut von 1997

Perleberg. Die Elbe stand wenige Zentimeter unter der Deichkrone. Ein heftiger Wind, ein starker Regen oder das plötzliche Abrutschen einer Sandsackbarriere hätte auch in Brandenburg Mitte August 2002 eine Katastrophe ausgelöst. So aber hielten die Deiche am kurzen Elbabschnitt im Südwesten bei Mühlberg wie auch im Nordwesten in der Prignitz. Anschließend sprach man vom „Wunder von Brandenburg“. Denn während große Gebiete in Sachsen und Sachsen-Anhalt überflutet wurden und selbst niedersächsische Dörfer mit dem Wasser zu kämpfen hatten, blieb es in Brandenburg überwiegend trocken.

Lediglich aufsteigendes Grundwasser war in einige Keller gelaufen. „Wir hatten großes Glück“, erinnert sich Wolfgang Schulz, Chef des damaligen Katastrophenstabes in der Prignitz. „Gewissermaßen profitierten wir vom Pech der anderen. Denn wenn vorher im Süden nicht so viele Deiche gebrochen wären, hätten wir es wahrscheinlich nicht geschafft.“

Und doch wären bei allem Glück wohl auch die Brandenburger Elbregionen überschwemmt worden – wenn hier nicht anders als bei den Nachbarn gehandelt worden wäre. In Brandenburg konnten die Behörden auf viele Erfahrungen aus der Oderflut von 1997 zurückgreifen. Schon damals bewährte sich eine Einsatzzentrale beim Potsdamer Innenministerium. Die bei außergewöhnlichen Ereignissen oft auftretende „Chaos-Phase“, in der erst mühsam die notwendigen Telefonnummern beschafft werden und der Streit über die besten Methoden tobt, fiel in Brandenburg aus. Binnen weniger Stunden wurde die 1997 aufgebaute Einsatzzentrale wiederbelebt. Auch „im Landkreis saßen die wichtigsten Leuten innerhalb kurzer Zeit zusammen“, erinnert sich Wolfgang Schulz. „In anderen Bundesländern mischte sich da manchmal noch das jeweilige Regierungspräsidium ein.“ Rund 4100 Angehörige von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Bundesgrenzschutz und anderen Organisationen, 1400 Soldaten und rund 5000 freiwillige Helfer wurden schließlich vom regionalen Katastrophenstab geführt.

Dabei hatte die Prignitz zweifellos wieder viel Glück mit der Bundeswehr. Ministerpräsident Matthias Platzeck, während der Oderflut als „Deichgraf“ geadelt, ließ seine Beziehungen spielen. Wo in anderen Bundesländern noch tapfere Freizeit-Feuerwehren die Deiche notdürftig verstärkten, übernahmen in Brandenburg schon Soldaten die schwierigsten Abschnitte. „Mit Befehlsgewalt kann einfach viel mehr erreicht werden“, sagt Schulz.

Und in die Prignitz ließ der Kommandeur eines Pionierbataillons aus Minden zudem zwei Amphibienfahrzeuge anrollen. Mit denen wollte er eigentlich Menschen aus überfluteten Häusern retten. Aber dann hatte er die Idee, die schwimmenden Pontonbrücken zum Transport von Sandsäcken einzusetzen. „Das war der wichtigste Baustein für unsere Rettung“, sagt Wolfgang Schulz. „So konnten wir Unmengen von Sandsäcken von der Wasserseite aus auf den puddingweichen Deich stapeln.“ Jedes Fahrzeug hätte den Damm zum Einsturz gebracht.

Entlastung brachte für die Prignitz schließlich auch die Flutung der Havelauen bei Havelberg. „Dadurch fiel der Pegel der Elbe mindestens um 20 Zentimeter“, sagt Schulz. „Die Entscheidung zum Öffnen des Wehres Havel fiel damals in wenigen Stunden.“ Heute würde der damalige Chef des Katastrophenstabes in einer ähnlichen Situation nur wenig ändern. „Wünschenswert wären allerdings genaue digitale Karten, mit denen man die Folgen einer Überschwemmung genauer abschätzen kann.“ Dann wisse man genau, wo man evakuieren oder die Kräfte konzentrieren müsse.

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