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Bärenstark. Frank Henkel auf dem Landesparteitag der Berliner CDU. Foto: dpa/Stache

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Berlin: Glücklich schon mit dem dritten Platz

CDU hat Erwartungen für Wahl zurückgeschraubt Landeschef Frank Henkel mit 96 Prozent bestätigt

Guter Laune sind sie in der Berliner CDU – doch es fehlt ihnen der Glaube. Jedenfalls der Glaube an einen Wahlsieg. Auf einem Landesparteitag haben sie ihren Frontmann und Spitzenkandidaten Frank Henkel mit über 96 Prozent in seinem Amt als Landeschef bestätigt und die Präsidiumsmitglieder mit gleichmäßig guten Werten von jeweils über 70 Prozent dazu. Sie haben nicht gestritten und sich wohl miteinander gefühlt – und sich doch nichts vorgemacht: Dass man im September zur stärksten Kraft werde, erwartete am Samstag im Tagungshotel Estrel wohl keiner derer, die sich in der Partei organisatorisch und persönlich auf den Wahlkampf eingestellt haben. Die Stadtpolitik fühlt sich für sie alle nicht – oder noch nicht – nach Wechselstimmung an.

Aber die Berliner CDU-Mitgliedschaft leidet darunter nicht, und das hat drei Gründe. Der erste heißt Frank Henkel. „Er hat uns von ganz unten auf null gebracht. Nun muss er zeigen, ob er uns auch in den positiven Bereich bringen kann“: So ungefähr sagt es ein Mitglied aus dem Westen, das die für die CDU finsteren nuller Jahre miterlebt hat und weiß, was die CDU zwischen 2001 und 2009 vor allem war: nicht gesellschaftsfähig.

Den Eindruck aber hat niemand mehr in der Partei, und das ist der zweite Grund für das neue christdemokratische Wohlgefühl: Man hat sich durch politische Arbeit und personelle Kompletterneuerung rehabilitiert. Die Berliner CDU ist eine andere geworden, auch wenn Politiker wie Henkel und seine Präsidiumsmitglieder Monika Grütters, Michael Braun, Frank Steffel den Niedergang ihrer Partei im Spenden- und Bankenskandal vor zehn Jahren persönlich miterlebt und -erlitten haben. Sie wissen, wie lang der Weg bis jetzt war. Er führte durch 40-seitige Konzepte, in denen jedes Wort umstritten war, zur Integration und durch lange Abende mit Debatten über die Förderung von Transferleistungsempfängern. Das hat eine Binnenstimmung erzeugt, die sich aus ein wenig Stolz und einer Menge Demut zusammensetzt. So wirken sie auf ihre Betrachter: Nichts ist übrig vom betonierten Selbstbewusstsein der neunziger Jahre.

Das verweist auf den dritten Grund für die positiven, aber nicht überschwänglichen Erwartungen, mit der die CDU in den sich erhitzenden Wahlkampf geht. 18 oder 20 oder 21 Prozent in den Umfragen – das liefe am 18. September auf den dritten Platz hinaus. Und womöglich auf die Funktion des Mehrheitsbeschaffers für die Unterlegene oder den Unterlegenen im Duell Renate Künast gegen Klaus Wowereit. Wieder mehrheitsfähig werden durch Mitregieren: Das ist mehr Perspektive, als die CDU in den vergangenen zehn Jahren hatte.

Deshalb reden die wichtigen Leute in der Partei seit Wochen gern über die Signale des Interesses, die angeblich von Sozialdemokraten und Grünen kommen. Und mit Verachtung sprach Frank Henkel am Freitagabend bei seiner Begrüßungsrede nur von einer Partei – der FDP. Mit ganzen zwei Sätzen. Die Liberalen wollten der CDU nichts mehr schenken?, höhnte er. Wer keine Rolle spiele, für den habe die CDU „keine Aufmerksamkeit“.

Sozialdemokraten und Grüne hingegen bekamen allerlei Zeichen gezeigt, dass die CDU mit der derzeit höher bewerteten Konkurrenz nicht wirklich Probleme hat. Den Regierenden Bürgermeister, Großflughafenentwickler und A-100-Befürworter Klaus Wowereit dürfte interessieren, dass die Union ihm da jederzeit zu sekundieren bereit wäre, als Juniorpartner. Die Grünen ging Henkel vor allem über Bande an: In Baden-Württemberg, spottete er, hätten sie im Wahlkampf Sparsamkeit gepredigt und sich als Regierungspartei erst mal zwei zusätzliche Ministerien gegönnt. Enge Vertraute Henkels im Präsidium versichern unterdessen gern, wie gut man sich mit den führenden Grünen im Berliner Politikbetrieb verstehe, wenn auch nicht gerade mit Renate Künast. Die neue Bescheidenheit könnte der CDU den Wahlkampf etwas leichter machen: Man muss sich nicht ständig für Umfragewerte rechtfertigen, die nicht gut sind, aber strategisch interessant. Werner van Bebber

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