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Berlin: Glücksspiel hat mit Pech nichts zu tun

Es ist eine schweigsame Männerwelt mit Zigarettenqualm und nervendem Gefiepe. Im Spielcasino rechnet man fest mit dem Erfolg. Auch am Freitag, dem 13.

Von David Ensikat

Eigentlich musste sie ja nur aufs Klo. Aber sie hatte Glück, an diesem Freitag, dem 13. Es war kurz nach elf, und das nächste Klo neben dem Parkhaus am Alexanderplatz gehört zum Spielcasino. Die Automatenhalle war gerade geöffnet worden, da ging sie hier hinein, besuchte die Toilette und schob danach noch rasch den 50-Euro-Schein in einen Daddelautomaten. Man ist ja im Urlaub, draußen ist es kalt, und zu Hause, in Eckernförde gibt es so was nicht, so ein Spielcasino. Nach ein paar Minuten hat es geklappert wie wild. 60 von diesen Quasi-Euros hat der Automat herausgespült, die hat sie in einen Aschenbecher gefüllt, es war ja erst kurz nach elf, da sind die noch nicht alle voller Kippen. Trotzdem haben sie an der Geldausgabe geschimpft mit ihr: „So geht’s ja nun nicht, Mensch. Mit’m Ascher…“ Aber sie hat die 60 Euro bekommen, zehn davon waren ihr Gewinn.

Die junge Frau ist eine Ausnahme. Am Vormittag kommt man kaum zufällig an diesen Ort. Kurz vor elf stand eine kleine Menschenschlange vor der Tür des Spielcasinos am Alexanderplatz. Die befindet sich, ganz unscheinbar, an der Seite des Forumhotels. Dort, wo so wenig Leute vorbeilaufen wie an keiner anderen Stelle des großen Platzes. Wer sich hier anstellt, kurz vor elf, der geht nicht aus, der ist nicht zum Vergnügen hier. Die Männer (Frauen sind es nur ganz selten) wollen an ihre Plätze. Am automatischen Roulettetisch gibt es zehn davon, die sind zuerst besetzt. Denn beim Roulette sind die Chancen für die Spieler etwas besser als an den Automaten.

Aber auch an denen gibt es Stammkundschaft, Dieter G. gehört dazu. Seit zehn Jahren spielt er, wöchentlich so zwei, drei Mal. Nachdem der Rechtsanwalt in einem Jahr mal 50 000 Mark verlor, ist er vernünftig geworden und besitzt nun eine Spielkasse. 5000 Euro sind da drin, die hat er auch dabei, wenn er sich ans Gerät begibt. Auch heute, an diesem 13. Natürlich glaubt er nicht daran, dass ihm das Datum Pech bereitet, daran glaubt hier sowieso gar keiner. Denn wer nicht ganz fest mit dem Glück rechnet, der kommt erst gar nicht her, um diese Zeit. Dieter G. hat aber Pech: Er ist zu spät, ein anderer hat sich an seinen Automaten gesetzt. Sein Automat, das ist auch so ein Daddelding, allerdings keins mit Früchten in der Reihe, sondern eines, an dem man eine Art Roulette betreibt. Der Vorteil an dem Ding sei allerdings, so Dieter G.: Es ist viel schneller als der Tisch. Wenn man die Sache richtig anstelle, nicht so wie dieser Heini, der jetzt vor dem Automaten sitzt, dann könne man hier einigermaßen Geld verdienen. Man muss nur klein beginnen, zum Anfang wenig setzen, dann muss man gucken, wie die Zahlen fallen, man muss Erfahrung haben – und dann gebe es so ein Paar Situationen, in denen man eben wisse, welche Zahl bald kommt. Dieter G. sagt, er verdiene sich hier ein kleines Angestelltengehalt so nebenher. Ganz ohne Druck. Mit Druck würde die Sache ohnehin nicht funktionieren.

Jedoch: So völlig drucklos kann auch Dieter G. nicht sein, denn er wartet geschlagene zwei Stunden, dass der Heini endlich sein Gerät verlässt. In den zwei Stunden wird die Luft schon dick, die Aschenbecher voller. Und die Geldschluckautomaten fiepen ihre Handymelodien, und die Männer schweigen, manche fluchen leise. Ansprechen lassen sich nur die Wenigsten (schon gar nicht die, die grad verlieren, die an ihrem Glück zu zweifeln beginnen).

Die Angestellten sagen, heute würde es noch viel, viel voller, denn es sei Freitag, da kämen immer mehr. Und seit dem zehnten bekämen die Leute ihre Monatsgelder. Mit Aberglaube hat das hier alles nichts zu tun. Bei der Zwischenabrechnung, kurz nach Mittag, ist die Spielbank leicht im Plus.

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