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Berlin: Gold und Grünspan

Gut besucht: Die Archäologie-Ausstellung im Gropiusbau

Ein Ende mit Schrecken im Gropiusbau. Mann für Mann wird das Lebenslicht ausgepustet. Erst flackert es hundertfach auf Wänden und Boden des Schauraums zur Varusschlacht, von Projektoren trickreich inszeniert, dazu pocht es unentwegt, halb Kriegsgetrommel, halb Herzschlag. Nach und nach erlöschen die zuckenden Lichtkreise, der spärlich beleuchtete Raum verdunkelt sich weiter, und das junge Ding, das gerade noch einbeinig vergnügt von Fleck zu Fleck gehopst war, weiß nun nicht mehr, wohin mit seiner Energie. Das Spiel ist aus, die Schlacht geschlagen. „Varus, gib mir meine Lampen wieder!“

Ein überraschender Wunsch, da doch draußen die Sonntagmittagssonne strahlt, dass es einem trotz Minusgraden warm ums Herz wird. Einen Spaziergang durch Grunewald oder Tiergarten sollte man heute als Familienprogramm erwarten, denkbar wäre auch der Zoo, aber das verwitterte Reich der Vergangenheit, dieser Hort von Staub, Rost und Grünspan, der Querschnitt durch ein Vierteljahrhundert Archäologie in Deutschland – wen könnte es locken an so einem Tag des Lichts?

Überraschung schon am Eingang: „Geben Sie Ihre Mäntel lieber ab. Es ist warm – und voll.“ Und tatsächlich, wer nach dem Weg durch den Lichthof sich dem versteinerten Pflanzenwerk im ersten Raum nähert, muss sich erst mal anstellen. Eine Mutter erklärt dem Töchterlein die Geheimnisse der fossilen Welt, lässt sich auch durch hartnäckiges Nachfragen – „Aber wo ist der Baum?“ – nicht beirren. Hier trennt sich pädagogisches Geschick von Schulmeisterei. Einfach nur Texte vorlesen wie eine andere Mutter gleich nebenan? Kein Wunder, dass ihr Junge gelangweilt an den Stoffbahnen herumspielt, die als Schleier der Geschichte von der Decke herabhängen. Überhaupt die Kinder: Scheinen wissbegieriger, als man nach Pisa glauben mag. Ein Mädchen besonders, gerade dreieinhalb, löchert die Mutter mit Fragen, kennt sich sogar mit prähistorischer Überlebenskunst aus. „In dem Topf da haben sie Feuer gemacht und gekocht.“ Kleiner Auflauf vor einem Glaskasten. Die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft hat eine Werkstatt aufgebaut, eine Studentin kratzt an einem grünen Ding. Eine römische Kleiderschnalle, erstes Jahrhundert nach Christi Geburt. Den dritten Tag sitzt sie da.

Publikumsresonanz? Sie kann weiß Gott nicht klagen. Der Wächter über den Raum zu Hitlers Fahrerbunker kann dagegen zu Reaktionen nichts sagen. Es gibt keine erkennbaren, schon gar nicht Ablehnung oder Protest gegen die nicht jedem einleuchtende Objektwahl. Also Stichprobe: Doch, sollte man zeigen, es sei ja sachlich dokumentiert, antwortet ein junger Mann. Am anderen Ende der Generationenkette fällt die Anwort ähnlich aus: „Es gibt rühmliche und unrühmliche Geschichte. Man kann sie nicht löschen.“

„Menschen – Zeiten – Räume“, Gropiusbau, bis 31. März, Mi - Mo 10 bis 20 Uhr. (6, ermäß. 3 €)

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