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Berlin: Grab ohne Stein

Für die letzte Ruhestätte hatte Stefan Heym genaue Wünsche. Leider entsprechen sie nicht der Friedhofsordnung

Von Robert Ide

und Katja Füchsel

Inge Heym geht heute auf den Jüdischen Friedhof in Weißensee. Dort wird sie am Grab ihres Mannes, des Schriftstellers Stefan Heym, stehen und auf eine Baustelle gucken. „Eigentlich wollte ich am Montag einen Grabstein aufstellen“, sagt sie. „Doch jetzt ist nur das Fundament da.“ Die Friedhofsverwaltung hat die Aufstellung des Steins verboten, den Inge Heym in Jerusalem gekauft hat. Darauf stehen nur Heyms Name und seine Lebensdaten. Doch die jüdische Friedhofsordnung verlangt einen Stein, auf dem der Davidstern und hebräische Schriftzeichen zu sehen sind. Darauf besteht die Jüdische Gemeinde. „Das macht mich traurig und wütend“, sagt Inge Heym.

Vor genau einem Jahr ist Stefan Heym während einer Reise in Israel gestorben. Der Schriftsteller, der mit Romanen wie „Hostages“ und „Fünf Tage im Juni“ Weltruhm erlangte, war ein Jude. Auch deshalb hat Inge Heym in einer Steinhandlung in Jerusalem einen Grabstein für ihn gekauft. Dieser wurde vom Hafen in Haifa mit dem Schiff nach Hamburg transportiert und kam von dort nach Berlin. Bei der Gestaltung des Steins hat sich Inge Heym nur an einem Grundsatz orientiert: am Testament des Schriftstellers. Darin hatte Stefan Heym verfügt, dass auf seinem Grabstein nur Name, Geburts- und Sterbedatum stehen sollten. Zudem wollte er auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beigesetzt werden – wie seine Eltern. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Vorschriften wichtiger sein sollen als ein Testament“, sagt Inge Heym.

Auch dem Bildhauer Carlo Wloch, der den 1,60 Meter hohen Stein bearbeitet und Heyms Unterschrift sowie dessen Lebensdaten eingearbeitet hat, ist die Haltung der Gemeinde „völlig unverständlich“. Ausnahmegenehmigungen habe es auf Friedhöfen aller Konfessionen immer wieder gegeben.

Nach jüdischem Brauch wird ein Grabstein in den ersten drei Wochen nach dem Tod aufgestellt – oder genau am ersten Todestag. Daran wollte sich die Witwe halten, sie hatte bereits eine Gedenkfeier mit engen Freunden geplant. Diese fällt nun aus. Und das, obwohl sich Inge Heym schon im Februar letzten Jahres beim Friedhofsdirektor nach den Verordnungen erkundigt hat. „Doch erst am vergangenen Freitag habe ich eine Antwort bekommen – die Ablehnung des Grabsteins.“ Und das, obwohl es auf dem Friedhof in Weißensee viele Grabsteine gibt, auf denen keine religiösen Symbole angebracht seien. „Sogar am Grab eines Rabbiners fehlen die Symbole“, sagt Inge Heym.

Die Jüdische Gemeinde äußerte sich am Wochenende nicht zu diesem Fall. Doch der ehemalige Vorsitzende Andreas Nachama kennt das Problem. „Als Vorsitzender war es eine meiner vornehmsten Aufgaben, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.“ Es sei eine Gratwanderung, einerseits die jüdische Tradition und andererseits den Willen des Verstorbenen oder seiner Familie zu berücksichtigen. Auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee verstießen ohnehin die meisten Gedenksteine gegen die erst drei Jahre alte Friedhofsordnung. Wollte man sich ihr völlig beugen, müssten „fast alle älteren Steine“ abgerissen werden, sagt Nachama. „Da sollte man nicht päpstlicher sein als der Papst.“

Für heute hat die Gemeinde zu einem klärenden Gespräch eingeladen. Doch Inge Heym will nicht kommen. „Ich fahre doch da nicht am Todestag meines Mannes hin, um über sein Testament zu verhandeln“, sagt sie aufgebracht. Nur ein wenig Humor kann die Witwe trösten. „Mein Mann hatte schon zu Lebzeiten immer Trouble“, sagt sie in Erinnerung an die Schikanen, denen der Autor erst im nationalsozialistischen Deutschland, dann im antikommunistischen Amerika und schließlich in der real-sozialistischen DDR ausgesetzt war. Auch deshalb will Inge Heym jetzt nicht nachgeben. Sie sagt: „Ich sehe den Stefan nur lächeln und zu mir sagen: Inkale, du machst das schon.“

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