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Berlin: Grausames Geschäft

In Berlin beginnt ein Prozess wegen Menschenhandels – er berührt auch die Affäre um Michel Friedman

Die Angeklagte heißt Justyna, ausgerechnet. Sie soll bei den Verkaufsverhandlungen gedolmetscht haben, als ein verliebter Freier eine osteuropäische Hure freikaufen wollte. Jetzt greift die Justiz nach Justyna W. (26). Ab diesem Dienstag steht sie wegen Beihilfe zum Menschenhandel in Berlin vor Gericht. Die Hauptangeklagten sind drei Männer, die Frauen aus Osteuropa eingeschleust und zur Prostitution gezwungen haben sollen. Ein Fall, wie er nicht selten in Europas größtem Strafgericht verhandelt wird. Dieser aber ist besonders: Zum Kundenkreis der Damen soll auch Michel Friedman gehört haben.

Im Zuge der Ermittlungen gegen die Betreiber des Callgirl-Rings war auch der Frankfurter Rechtsanwalt und Fernsehmoderator den Ermittlern vor die Linse gekommen. Zwei Tütchen mit Kokainspuren fanden sich bei Durchsuchungen in Friedmans Kanzlei- und Wohnräumen; abgehörte Telefonate deuteten darauf hin, dass er als „Paolo Pinkas“ bei den Zuhältern Bestellungen aufgab.

Kein Prozess wie jeder andere also, dennoch: Geht es nach dem Berliner Landgericht, dann soll es auch möglichst so zugehen wie gewöhnlich. Friedman ist nicht als Zeuge geladen, er wird auch nicht benötigt. Einen Auftritt von ihm ganz und gar ausschließen mag Justizsprecher Björn Retzlaff aber auch nicht. Schließlich könne man nie wissen, was für Beweisanträge sich die Verteidigung einfallen ließe. Er erinnerte daran, dass ein Anwalt vor Jahren beantragt hatte, Beweis darüber zu erheben, ob es sich bei dem schwer kranken Erich Honecker eventuell nur um ein Double des echten Erich handelte. Damals ging es um die Frage von Honeckers Verhandlungsfähigkeit.

Die Hauptangeklagten sind jetzt der 33-jährige Borys B., Krzysztof Ma. (25 Jahre) und Marius Me. (23), denen die Staatsanwaltschaft unter anderem schweren Menschenhandel, gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern und Zuhälterei vorwirft. Borys B. soll seit Mai 2001 einen Callgirl-Ring betrieben haben, in dem mindestens 15 Prostituierte arbeiteten. Die Frauen stammten, wie die Angeklagten selbst, aus der Ukraine und aus Polen. Im April 2003 kam B. in Untersuchungshaft.

Nach demselben Muster sollen die beiden anderen Angeklagten von Januar bis April 2003 verfahren haben, bis auch sie in Untersuchungshaft kamen. Außerdem soll das Trio bandenmäßig zusammengearbeitet haben. Angeblich hatten die drei, obwohl sie erst kurz im Geschäft waren, einen enormen Kundenstamm aufgebaut, zu dem noch zahlreiche andere Prominente gezählt haben sollen. Namen sind bisher aber nicht bekannt geworden.

Das kriminelle Geschäft mit den Frauen aus Osteuropa wächst und wächst. Nach Angaben der EU werden jährlich 500 000 Frauen und Mädchen illegal in die EU geschleust, Berlin fungiert als Drehscheibe, und entsprechend viele bleiben hier hängen. Wie viele genau, weiß man nicht. Damit sich die Bordellbesucher in der Provinz nicht langweilen, gibt es einen regen Personalaustausch unter den Puffs. Es heißt, die Zuhälter machten Milliardengewinne mit den Frauen. Mal ist von sieben Milliarden Euro jährlich die Rede, mal von 13 Milliarden Dollar.

Die strafrechtliche Verfolgung der Drahtzieher scheitert allzu oft an fehlenden Beweisen. Im ersten Quartal dieses Jahres gab es in Berlin 17 Verurteilungen wegen Menschenhandels – Anklagen allerdings gibt es viel mehr. Nur in jedem zehnten Verfahren kommt es zu einem Urteil. Der Erfolg der Anklage hängt wesentlich von den Aussagen der geschundenen Frauen ab. Doch die haben keinen Vorteil davon, zu reden. Da sie illegal im Lande sind, werden sie ohnehin abgeschoben. Ihre Peiniger drohen ihnen mit Gewalt, manchmal sogar mit Mord, sie machen auch vor den Familien der Frauen nicht Halt. So ziehen es viele vor zu schweigen.

Dass es sich nicht nur um leere Drohungen handelt, zeigte zuletzt der Mord an Yana Zhukova im vergangenen Januar. Auch sie war Prostituierte, auch sie Ukrainerin. Sie wurde gezielt umgebracht. Der erste Versuch mit einer am Auto angebrachten Handgranate schlug damals fehl; kurz darauf wurde die 33-Jährige in Schöneberg mit mehreren Kopfschüssen getötet.

Das Geschäft ist brutal, und dass es floriert, zeigt schon die nächste Ankündigung des Gerichts. Gegen elf Personen ist am vergangenen Freitag Anklage erhoben worden. Drei von ihnen sollen einen Callgirl-Ring mit aus Osteuropa stammenden Prostituierten betrieben, acht weitere sollen sie dabei unterstützt haben.

Fatina Keilani

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