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Grillordnung im Tiergarten: Brutzeln auf Bewährung

In fünf Bezirken ist das Grillen in Grünanlagen schon komplett verboten. Nun steht auch das größte Barbecue-Gebiet Berlins im Großen Tiergarten zur Debatte.

Routiniert tastet Günter Bogwitz den lehmigen Boden im Großen Tiergarten in Mitte ab. Der Duft von gebratenen Hähnchenflügeln und Lammspießen, der von einem Grill neben ihm ausgeht, vermag die Sinne des 55-jährigen Ordnungsamtsmitarbeiters schon lange nicht mehr zu vernebeln. Mit einem kurzen Blick bestätigt er Kollegin Corinna Rosenthal seinen Verdacht: „Zu heiß.“ Der Rasen könnte zerstört werden. Die Kanne mit dem türkischen Tee braucht jetzt einen Metalluntersetzer, oder die Party ist gelaufen. Mit Beginn der Grillsaison nehmen auch die Ordnungsämter die Jagd auf Falsch-Griller und Müllverursacher wieder auf. Von ihren Erfahrungen wird es abhängen, ob und wo in Berlin künftig noch gegrillt werden darf. Denn die Bezirke scheuen vor allen Dingen die hohen Kosten. In Mitte wird offen ein Verbot diskutiert.

Marzahn-Hellersdorf, Neukölln, Reinickendorf, Spandau und Tempelhof Schöneberg sind da schon einen Schritt weiter. Dort gibt es überhaupt keine ausgewiesenen Grillplätze mehr. Eigentlich besteht in Berlin in Grünanlagen ohnehin ein generelles Grillverbot, die Bezirke können aber Ausnahmen zulassen. Doch die sind ein Luxus, den sich immer weniger Bezirke leisten wollen. Carsten Spallek, CDU-Ordnungsstadtrat in Mitte, stören die Grillfeiern besonders. Er begleitet die Ordnungshüter auf Streife durch den Park, fragt sich, warum sich niemand an die Regeln halten will. Jeder Grill, der den Rasen versengt, jede Dose, die ins Gebüsch geworfen wird, verschwimmt vor seinen Augen zu einer Zahl in Mittes Haushalt: 360 000 Euro pro Jahr kostete die Müllentsorgung und die Reparatur von Schäden an Bäumen und Rasen den Bezirk. Für die CDU ist deshalb klar: Der Tiergarten, das größte Grillgebiet Berlins, soll für Grillfeiern tabu werden. Wenigstens für ein Jahr. Probeweise.

Die Zahlen scheinen ihr recht zu geben. Als im Jahr 2010 wegen der Fanmeile zur Fußball-WM das Grillen im Tiergarten für zwei Monate verboten war, verringerten sich die Entsorgungskosten von 8000 Euro pro Woche auf 3000 Euro. Statt acht Tonnen Müll fielen nur noch zwei Tonnen pro Woche an, wie aus einer kleinen Anfrage hervorgeht.

Ein generelles Verbot scheiterte aber am Widerstand der Bezirksverordnetenversammlung, die einem Antrag der Grünen zustimmte. Die stören sich zwar ebenfalls an den 160 Tonnen Müll, die jährlich allein im Tiergarten anfallen, wollen aber lieber durch Aufklärung ein „neues müllvermeidendes Grillbewusstsein schaffen“. Lässt sich der Müll in dieser Saison trotzdem nicht drastisch reduzieren, ist aber auch für die Bezirksverordneten ein Verbot denkbar. Hilfe bei der Aufklärungsarbeit erhoffen sich die Grünen aber zunächst vom deutsch-türkischen Umweltzentrum. „Man muss kein Rassist sein, um zu sehen, dass das Problem eine Klientelfrage ist“, erklärt Frank Bertermann, Fraktionssprecher der Grünen. Tatsächlich sind viele Feiernde „migrantisch geprägt“, wie es im Antrag heißt.

Die Ordnungshüter Corinna Rosenthal und Günter Bogwitz bemühen sich trotzdem um Verständigung. Nicht immer treffen sie dabei auf Verständnis. Asadian Javad etwa ist außer sich über das 30-Euro- Bußgeld, das ihm nach der Kontrolle nun droht. „Feuer auf dem Boden, Zweige als Brandbeschleuniger. Er hat fast alles falsch gemacht.“ Bogwitz drückt eine Zigarette in seinem Taschenaschenbecher aus und reicht dem Grillsünder die 16-seitige Grillverordnung. Fürs nächste Mal. Ordnungsstadtrat Spallek ist mit der Arbeit der beiden zufrieden, auch wenn er nicht glaubt, dass die Leute ihr Verhalten ändern. Er selbst grille übrigens nicht so gerne, sagt er. Höchstens bei den Eltern auf der Dachterrasse. Da kann man grillen, wie man will.

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