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Großdemonstration: Protest für die Bildung

Ein Bündnis von Eltern, Schülern und Gewerkschaftern will mit einer Großdemo Druck machen. Schulpolitiker verstehen den Unmut – nur die SPD verteidigt den Senat und sieht den Bund in der Pflicht.

Es tut sich was in Berlins Schulen: Elf Jahre nach dem großen Sternmarsch mit 40 000 Demonstranten gegen Lehrermangel, Überalterung und Unterrichtsausfall kommt möglicherweise wieder eine Protestbewegung in Gang. Am Dienstag berichteten Schüler-, Eltern- und Lehrervertreter, was sie Donnerstag auf die Straße treibt. Der gemeinsame Nenner sind dieselben Forderungen wie im Jahr 2000, zusätzlich geht es um bessere Arbeitsbedingungen für Erzieher, kleinere Klassen und die Sanierung maroder Schulen.

„Wenn wir jetzt nicht aufpassen und den Schulterschluss suchen, können wir das Schiff nicht mehr umsteuern“, mahnte Landeselternsprecher Günter Peiritsch. Zu lange sei bei Bildung gespart worden. Deshalb sei dieses breite Bündnis unter dem gemeinsamen Motto „Für bessere Bildung in Berlin“ zusammengekommen. Wie viel Geld tatsächlich nötig sei, um alle Forderungen umzusetzen, wisse man nicht. Unstrittig sei allerdings, dass allein bei den Schulgebäuden 600 bis 800 Millionen Euro fehlten.

So einig ist man sich nicht in allen Punkten. In etlichen Bereichen widersprachen sich die verschiedenen Unterzeichner des Demonstrationsaufrufs. So forderte Florian Bensdorff vom Aktionsbündnis „Bildungsblockaden einreißen“ eine „Schule für alle“ – ohne Gymnasium. Neben ihm saßen aber Eltern und Schüler, die für bessere Bedingungen an Gymnasien kämpfen wollen. Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch beim „Turboabitur“: Die GEW hält es für richtig, dass man den Gymnasien nur zwölf Jahre Zeit lässt, während Schüler und Eltern gern wieder den 13-jährigen Weg als Alternative hätten. Zudem klaffen die Ansichten beim Thema Arbeitszeit auseinander: Während die Lehrer eine Altersermäßigung fordern, konnten sich dafür Schüler und Eltern dafür nicht generell erwärmen. Am Donnerstag soll das Gemeinsame betont werden: „Wir lassen uns nicht gegenseitig ausspielen“, stellte Landesschülersprecher Jonas Botta klar. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, etwas zu ändern“, beschwor er den Kampfgeist.

Aufgrund der hohen Unterrichtsbelastung seien Lehrer kaum noch ansprechbar für Schüler, benannte die GEW-Vorsitzende Sigrid Baumgardt eine Folge der hohen Pflichtstundenzahl, die heute um rund 20 Prozent höher als früher liege. Es gehe nicht an, dass Berlin nur 4,7 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Schule ausgebe, wenn doch Bund und Länder sieben Prozent als Ziel benannt hätten.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wollte sich auf Anfrage nicht zum Thema der Demonstration äußern – das sei Sache von Bildungsenator Jürgen Zöllner (SPD), hieß es in der Senatskanzlei. Die Bildungsverwaltung betonte am Dienstag, dass Berlin trotz sinkender Schülerzahlen im Jahr 2012 über 180 Millionen Euro mehr als 2006 ausgebe – etwa für die Ganztagsbetreuung. Ähnlich argumentierte die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Felicitas Tesch: Rechne man alle Forderungen aus dem Demonstrationsaufruf zusammen, komme man auf eine dreistelligen Millionenbetrag. Das sei angesichts der Berliner Haushaltslage nicht zu machen. Und immerhin liege Berlin im Bundesvergleich der Bildungsausgaben auf dem dritten Rang. Ihr Kollege von der Linksfraktion, Steffen Zillich, findet den Protest von Lehrern, Eltern und Schülern immerhin „verständlich“. Doch habe der Senat die Bildungspolitik mit Priorität behandelt. Für Zillich ist jetzt der Bund gefragt.

Vollstes Verständnis für die Anliegen der Protestinitiatoren äußerten die oppositionellen Bildungspolitiker Sascha Steuer (CDU) und Özcan Mutlu. „Die Forderungen sind berechtigt“, sagte Steuer, Mutlu nannte sie „pädagogisch mehr als gerechtfertigt“. Steuer benannte fehlende Lehrkräfte als Hauptproblem, Mutlu die Lücken in der Hortbetreuung für Fünft- und Sechstklässler. Am maroden Zustand vieler Schulen könne man mit Umschichtungen im Haushalt etwas ändern, so Mutlu. Die FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben findet die Forderungen im Demonstrationsaufruf „teilweise berechtigt“: Noch immer sei die Lehrerversorgung „katastrophal“. Den Zustand vieler Schulen kritisiere sie seit Jahren. Nichts hält Senftleben indes von der Abschaffung des Turboabiturs.

Wie hoch die Beteiligung am Protest am Donnerstag sein wird, ist schwer abzuschätzen: Da die Demonstration mittags stattfindet, haben viele Eltern keine Zeit oder wollen nicht, dass ihre Kinder Unterricht verpassen. Den Lehrern droht dienstrechtlicher Ärger. Deshalb setzen die Beteiligten jetzt vor allem auf den geplanten Sternmarsch am 10. September. Der Termin wurde mit Bedacht auf einen Sonnabend gelegt – so wie damals beim großen Sternmarsch im Jahr 2000.

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