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Gäste arbeiten am 11.05.2016 in Berlin-Mitte im Cafe St. Oberholz an ihren Laptops im Internet. Im Streit um ein neues Telemediengesetz haben Union und SPD den Weg für offene private WLAN-Hotspots in Deutschland freigemacht. Die Koalitionsparteien einigten sich darauf, Hotspot-Betreiber nicht mehr für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten der Nutzer verantwortlich zu machen.

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Update

Abschaffung der Störerhaftung: Großer Schritt für freies Wlan - ein kleiner für Berlin

Seit Jahren versucht Berlin ein öffentliches Wlan-Netz aufzubauen. Erfolglos. Die Störerhaftung war nicht schuld. Und doch ist es gut, dass sie jetzt wegfällt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Freies Wlan? In Berlin? Schnell? Es bleibt eine Wissenschaft für sich. Seit Jahren versucht der Senat ein flächendeckendes öffentliches Wlan-Netz aufzubauen, bisher völlig erfolglos. Bis zur Fußball-Europameisterschaft sollen jetzt die ersten 100 von geplanten 650 Hotspots aktiviert werden. Berlin wird das als Erfolg verkaufen, tatsächlich ist es ein Armutszeugnis. Die viel diskutierte Störerhaftung hat da keine große Rolle gespielt. Berlin gehörte sogar zu den Bundesländern, die sich für eine Abschaffung der Störerhaftung über den Bundesrat eingesetzt haben. Die Probleme liegen woanders: falsche Firmen, die beauftragt wurden, Schlamperei und ein Berlin-typisches "Schuld sind immer die anderen".

Und trotzdem ist die nun auf den Weg gebrachte Gesetzesänderung ein wichtiger Schritt, um Deutschland aus der Internet-Wüste zu führen. Auf 10.000 Einwohner kommen nur etwa 1,9 offene Wlan-Netze. In Frankreich sind es 5,4 in Großbritannien sogar 28,7. Selbst wenn die Schaffung öffentlicher Wlan-Netze weiter dauert, könnten nun viele kleine Gewerbetreibende, Café-Besitzer, Geschäfte etc. Wlan anbieten und so für eine bessere Versorgung mit Internetzugängen im öffentlichen Raum sorgen, ohne gleich fürchten zu müssen, massenhaft mit Klagen überzogen zu werden. Das war durch die Störerhaftung bisher der Fall.

Störerhaftung ist eine typisch deutsche Erfindung. In Haftung genommen wird dabei nicht nur der eigentliche Täter, sondern auch derjenige, der dem Täter (unwissentlich) Infrastruktur für seine Tat zur Verfügung stellt - eben ein Netzzugang. Zahlreiche Anwaltskanzleien verdienen sich damit gutes Geld. Und statt den Vorteil offenere Netze in den Vordergrund zu stellen, werden mit Maßnahmen wie der Störerhaftung Gefahren, Missbrauch und kriminelle Energie betont und maßgeblich mit dem Internet in Verbindung gebracht - aber auch das ist typisch deutsch.

Dass sich Union und SPD nun darauf verständigt haben, die Störerhaftung abzuschaffen ist weniger ein Verdienst der Politik - mit Ausnahme der Netzpolitiker auch aus den Reihen der Regierungsfraktionen, die seit Jahren dagegen andiskutiert haben - es ist vor allem ein Erfolg vieler Netzexperten, Bürgerrechtler und Digital Natives, die ebenfalls vehement dagegen argumentiert haben. Selbst aus der Wirtschaft und dem Einzelhandel kam Druck auf die Bundesregierung.

Die Politik hat sich zuletzt mehr auf das Ankündigen großer digitaler Visionen konzentriert, die praktischen Fragen hat sie lange, zu lange, ignoriert. Das zumindest ist jetzt anders. Ob es den digitalen Visionen auf die Sprünge hilft, wird man erst noch sehen.

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