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Berlin: "Grün" für alle Fußgänger: Höhere Sicherheit, längeres Warten: Versuch "Rund-um-Ampel" an der Kreuzberger Kochstraße gestartet

Mit einem Telefonhörer, der sich in einem unscheinbaren grauen Kasten an der Kreuzung Friedrichstraße-Kochstraße befindet, gab die Staatssekretärin das Startkommando. Alle Ampeln auf Grün - gestern galt diese Devise allerdings nicht für Autofahrer, sondern Fußgänger.

Mit einem Telefonhörer, der sich in einem unscheinbaren grauen Kasten an der Kreuzung Friedrichstraße-Kochstraße befindet, gab die Staatssekretärin das Startkommando. Alle Ampeln auf Grün - gestern galt diese Devise allerdings nicht für Autofahrer, sondern Fußgänger. Acht Jahre lang hat der "Fußgängerschutzverein Fuss e.V." die Einführung des "Rund-um-Grüns" gefordert, gestern war es soweit. "In Nordrhein-Westfalen ist diese Schaltung schon sehr verbreitet, und in New York und Tokio gibt es sie auch schon", sagte ihr Sprecher Karl-Heinz Ludewig. Die Idee ist einfach: Um Unfälle beim Rechtsabbiegen zu vermeiden, erhalten die Passanten auf allen Seiten der Kreuzung gleichzeitig das grüne Signal - die Autofahrer hingegen müssen warten.

Zunächst sechs Wochen lang soll die Schaltung erprobt werden, und wenn der Versuch positive Ergebnisse zeigt, könnten weitere "Rund-um-Grüns" schon zum Herbst auch an anderen Knotenpunkten eingeführt werden. Maria Krautzberger, Staatssekretärin für Verkehr in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, hofft, dass die Fußgänger jetzt "schneller und sicherer" über die Straße kommen. Genaue Zahlen zu Verkehrsaufkommen und Unfällen hatte sie gestern vor Ort aber nicht parat: "Wir haben diese Kreuzung ausgewählt, weil sie in der Innenstadt liegt und hier besonders viele Fußgänger laufen." Kritik an dem Modellversuch musste sie sich vom Fußgängerverein anhören: Nicht erprobt werde die Möglichkeit, die Straße bei grünem Licht auch diagonal zu überqueren, bemängelte Karl-Heinz Ludewig. Krautzberger lehnt dies "aus Gründen der Verkehrserziehung" ab - Kinder dürften sich nicht angewöhnen, gegen die üblichen Regeln zu verstoßen.

Konstantin Wardakas hat die Pläne seiner Chefin in die Praxis umgesetzt. Der Leiter des Referats Technische Steuerung des Straßenverkehrs wollte die Ampel so schalten, dass Fußgänger vom U-Bahn-Ausgang Kochstraße, der sich in der Straßenmitte der Friedrichstraße befindet, bei Grün ohne Eile bis zum schräg gegenüberliegenden Museum am Checkpoint Charlie gelangen können. Tatsächlich erwies sich die Grünphase gestern als knapp bemessen. Wer langsamen Schrittes die Straßen überquerte, sah schon vor Erreichen des Ziels das rote Männchen aufleuchten. "Wir benötigen für jede neue Ampel zwei Monate Feinabstimmung", sagte Wardakas dazu. Zwei weitere Versuchsschaltpläne würden ausprobiert.

Einen weiteren Pferdefuß des "Rund-um-Grüns" hat der Verkehrsplaner dagegen nicht zu verantworten: Nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger müssen künftig länger auf Grün warten - gerade am U-Bahn-Ausgang aber ist die Verlockung für Passanten besonders groß, angesichts der lästigen Wartezeit noch bei Rot die wenigen Meter bis zum Bürgersteig zu überqueren. Die Hoffnung, dass das Abbiegen durch die nicht mehr kreuzenden Fußgänger trotz der verkürzten Grünphase für Autos zu einem zügigeren Verkehrsfluss führen müsste, schien sich darum gestern nicht zu bestätigen: Auf "wild" laufende Fußgänger muss beim Abbiegen weiter geachtet werden. Und der Verkehr staute sich zeitweise bis zur Wilhelmstraße.

Den meisten Fußgängern fiel die Neuerung nicht auf - sie nutzten sie einfach. Eine rothaarige Frau mit Einkaufstasche erblickte das grüne Licht an der nächsten Fahrbahn und überquerte die Straße eiligen Schritts. Der Mann vom Tabakladen hat hier ohnehin vor allem Blechschäden erlebt. "Nur manchmal waren bei Unfällen Fußgänger dabei, und die sind rübergegangen, ohne dass die Farbe gestimmt hat." Daran wird sich wohl trotz "Rund-um-Grün" nichts ändern.

Johannes Metzler

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